Artist | Hans Steinbrenner (1928 - 2008)

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    • Hans Steinbrenner

      Dreiergruppe1960
    • Hans Steinbrenner

      Figur1961
    • Hans Steinbrenner

      Komposition "Horizontale"1961
    • Hans Steinbrenner

      Figur1976
    • Hans Steinbrenner

      Figur1980
    • Hans Steinbrenner

      Figurengruppe0
    • Hans Steinbrenner

      Große Figur1991
    • Hans Steinbrenner

      Figur1993
    • Hans Steinbrenner

      Liegende Figur1993
    • Hans Steinbrenner

      Figur1995

Biography

Biography

Geboren 1928 in Frankfurt/Main
1946 Werkkunstschule Offenbach / Städelschule Frankfurt/Main, Schüler von Hans Mettel
1954 Kunstakademie München, Schüler von Toni Stadler
1955 Stipendium des Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie
1963 Symposion Europäischer Bildhauer, Berlin
1967 Stipendium der Bundesrepublik Deutschland in der Cité des Arts, Paris
1974 Gastdozent an der Städelschule, Frankfurt am Main
Lebt und arbeitet in Frankfurt/M.

Solo Exhibitions (selection)

Solo Exhibitions (selection)

1952 Zimmergalerie Frankfurt/M.
1956 Zimmergalerie Franck, Frankfurt/M.
1960 Galerie Olaf Hudtwalcker, Franfurt/M.
1965 Retrospektive, Galerie Appel + Fertsch, Frankfurt/M.
1968 Galerie Appel + Fertsch, Frankfurt/M.
Kunstmarkt Köln, mit G. Fruhtrunk, Galerie Appel + Fertsch
1970 Frankfurter Kunstkabinett Hanna Bekker vom Rath
1971 Studio Berggemeinde, Frankfurt/M.
1974 Galerie Ostertag, Frankfurt/M.
1975 Szene Frankfurt - Beispiele 75, Frankfurter Kunstverein
1976 Galerie Dorothea Loehr, Frankfurt/M.
1978 Galerie Ostertag, Frankfurt/M.
1979 Galerie Appel + Fertsch, Frankfurt/M.
Galerie Arcaini, Cortona Arezzo
1980 Galerie Katrin Rabus, Bremen
1981 Kunstmesse Basel, Galerie Katrin Rabus
Stadtarchiv, Bad Homburg v.d.H.
1982 Studio a, Otterndorf
1983 Galerie Dreiseitel, Köln
Galerie Katrin Rabus, Bremen
Kunstverein Bremerhaven
Selection V, Skulpturenpark Bad Nauheim
Kunstverein Friedberg
1984 Oberhessisches Museum, Gießen
Fritz-VVinter-Haus, Ahlen
Frankfurter Kunstkabinek Hanna Bekker vom Rath
St. Markus, Frankfurt-Nied
Galerie Oben, Hagen
Galerie Repères, Paris
1995 Gatodo Gallery, Tokyo
1986 Galerie Katrin Rabus, Bremen
Galerie Dorothea Loehr, Frankfurt/M.
Galerie Appel + Fertsch, Frankfurt/M.
mit R. Girke, Städtische Galerie Schwäbisch Hall
Moderne Galerie Quadrat, Boftrop
1987 Treffpunkt Kunst, Saarlouis
Galerie Friebe, Mannheim
Gatodo Gallery.Tokyo
1988 Neuer Berliner Kunstverein
Frankfurter Kunstkabinek Hanna Bekker vom Rath
Repères, bei Galerie Lahumière, Paris
Musée de Pontoise (Île-de-France)
Galerie Michele Heyraud, Paris
Edwin-Scharff-Haus, Neu-Ulm
1989 Galerie Alvensleben, München
Freilichtgalerie der Stadt Ludwigsburg
Kabinet-Ausstellung, Kunstverein Ludwigsburg
Galerie Dreiseitel, Köln
Kunst-Station St. Peter, Köln
Kunstverein Braunschweig
Städtische Galerie im Kornhaus, Kulturring Kirchheim/Teck
1990 mit Leo Breuer, Galerie Reichard, Frankfurt/M.
Galerie Katrin Rabus, Bremen
Galerie Eike Dröscher, KunstRaurn Falkenstein, Hamburg
Sinclair-Haus, Bad Homburg v.d.Höhe
1996 Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie

Work in Museums

Work in Museums

Middelheim Museum, Antwerpen
Boymanns Museum, Rotterdam
Städelsches Kunstinsitut, Frankfurt/M.
Historisches Museum, Frankfur/M.
Staatliche Kunstsammlungen, Kassel
Städtische Galerie, Karlsruhe
Kunsthalle Bremen
Oberhessisches Museum, Gießen
studio a, Sammlung des Landkreises Cuxhaven
Kunsthalle Bremerhaven
Lehmbruck Museum, Duisburg
Moderne Galerie Quadrat, Bottrop
Museum für Moderne Kunst, Frankfurt/M.
Dainihon Ink. Co. Collection, Tokyo
Skulpturen Museum Marl
Saarland Museum, Saarbrücken
Städtische Galerie, Schwäbisch Hall
Musée de Pontoise (Île-de-France)
Sammlung der Bundesrepublik Deutschland
Edwin-Scharff-Haus, Neu-Ulm
Museum of Modern Art, Sapporo, Japan
FRAC (Fond Régional d'Art Contempoorain), Île-de-France

Public Collections

Public Collections

Martin Luther-Kirche, Detmold
Romanische Kirche, Kirchähr
Volksschule Frankfurt-Fechenheirn
Bundesbank, Frankfurt/M.
Hotel Intercontinental, Frankfurt/M.
Knappschaftskrankenhaus Püttlingen/Saar
Nordwestzentrum Frankfurt/M.
Reinhardiswaldschule Land Hessen
Evangelische Kirchengemeinde Buchschlag (Frankfurt/M.)
Fachhochschule Friedberg, Hessen
Krankenhaus Aschaffenburg
Städtisches Krankenhaus Schweinfurt
Dresdner Bank, Frankfurt/M.
U-Bahn-Abluftschacht, Frankturt/M.
Stadt Schwäbisch Hall
Landeszentralbank Bochum
Skulpturenstraße Universität Gießen
Technikerschule Weilburg
Gotisches Haus, Stadt Bad Homburg v.d. Höhe
Edwin-Scharff-Haus, Stadt Neu-Ulm
Polizei-Schule, Wiesbaden

About the work

About the work

Identifikation - Individuation - Ordnung als geistiges Korrektiv
Beobachtungen zur Arbeitsweise und zur Ästhetik Hans Steinbrenners

Am Anfang eine Erinnerung: Es war in einer Augustnacht des Jahres 1989. In Frankfurt feierte der alte Kaiserdom St. Bartholomäus sein 750jähriges Bestehen mit einer bemerkenswerten Ausstellung „Der geschundene Mensch“. Bei der Eröffnung bescherte man den zahlreichen Gratulanten nach gewichtigen Reden einen drohend-dröhnenden Abschluß in Gestalt einer Rock-Performance. Bartholomäus life? Wenigstens an den Ohren sollten die Gäste etwas geschunden werden. Als die Besucherin, von dem Gehörten überwältigt und betäubt, nach draußen kam und die ersten Schritte aus dem Domportal machte, traf sie plötzlich und unvermittelt der Anblick einer Stelenfigur von Hans Steinbrenner. Nicht der Schindung unterworfen, stand die vier Meter große, schwarze Holzfigur von 1984 zu Recht draußen. In der Dunkelheit wirkte sie noch schlanker und fremder: ein Pfeiler an beredter Schweigsamkeit, ein Gegenüber, das einen aus der Zerrissenheit, aus der man eben kam, spürbar neu versammelte und wieder auf den Boden stellte. Selbstsicher antwortete ihr Höhenzug auf das gotische Strebewerk der Architektur.
Läßt sich dieser nachhaltige Eindruck von 1989 aus der Arbeitsweise und Ästhetik Steinbrenners heraus verstehen? Was war es, was seine Stärke begründen half? Die Frage stellt sich besonders in der hiesigen Ausstellung im Städelgarten, in der die stelenartigen Holz- und Steinarbeiten Steinbrenners dominieren.
Der Grund für die Anmutung der Verdichtung, die von Steinbrenners abstrakten Figuren ausgeht, dürfte immer noch am besten mit dem (leider inflationär gewordenen) Begriff der ldentifikation zu fassen sein.

IDENTIFIKATION
Identifikation ist bei Steinbrenner vom ersten Arbeitsbeginn an gegeben. Dies läßt sich am besten entlang der Entstehungsgeschichte seiner Holz- und Steinfiguren belegen. Den erstmaligen Einblick in die hier auszugsweise präsentierten Photo-Dokumentationen verdanke ich der begeisterten photographischen Arbeit von Anne Steinbrenner. Ihre Bildserien bieten eine wertvolle Anschauungsbasis. Auf dieser Grundlage lassen sich nunmehr aus dem Studium der Werkgenese heraus Steinbrenners ästhetische Prinzipien neu sichten.
Steinbrenners Arbeitsweise vollzieht sich im klassischen Dreischritt: freie Skizze, Bozetto, Ausführung in Holz oder in Stein. Am Anfang entwickelt er auf dem Papier, zumeist in feinem Filzstift, eine Reihe von Themen. Im experimentellen Freiraum der Zeichnung probt er Figuren durch und sucht deren richtige Maße und Proportionen im Relief von allen Seiten zu ertasten. Nirgends wird die Figur in schnellen Konturen umfahren. Vielmehr laßt sie Steinbrenner in allmählich geschichteten Parallel- und Kreuzlagen erstehen. Aus dem mitgedachten (manchmal auch mitgezeichneten) Ausgangsblock tritt sie in ihren einzelnen Teilvolumen vom Kern heraus nach außen ans Licht - schattenlos. Sie bleibt Setzung aus einer Idee.
Dieselbe ideelle Bindung an den Block bestimmt durchgehend die Realisation der Skulptur. Dies sei am Beispiel der Entstehungsgeschichte der Eichenfigur von 1989, Höhe 2,47 m näher erläutert: Nachdem der Bildhauer mit der großen Axt aus dem Holzstamm den hochkantigen Kubus herausgeschlagen hat, gibt ihm dieser Ausgangsblock für alles Folgende die entscheidenden Maße an die Hand. Er ist jetzt der Körper, der sich mit all seinen Gegebenheiten - Wachstumsverläufen, Astbildungen etc. - dem Bildhauer entgegensetzt. Mit ihm tauscht er sich über die eigene Körpererfahrung Schlag für Schlag aus, um ihm im Zuge solcher persönlichen ldentifikation seine geistige Konzeption einzuverleiben.
Mit der kubischen Rohform hat Steinbrenner eine ähnlich wichtige Werkstufe erreicht, wie er sie als abstrakter Maler (der er parallel immer intensiv gewesen ist) mit der Auswahl seines Bildformats und der Grundierung der Fläche gefunden hat. Auch dort läßt er jede Farbform, die er im stimmigen Verhältnis zur anderen errichtet, auf die Grundfläche Bezug nehmen.
Doch zurück zur Eichenfigur von 1989. Im nächsten Arbeitsgang vollzieht sich die eigentliche "Geburt“ der Figur. Denn nun wird in den meisten Fällen (manchmal genügt auch die vorbereitende Zeichnung) von den Maßen des Ausgangsblocks aus in maßstäblicher Verkleinerung von 1:20 oder 1:10 exakt die gleiche Grundform in Ytong-Kunststein geschnitten und an ihr allseitig die Unterteilung der Blockabschnitte vorgenommen. Hier also erfolgt - im vorliegenden Fall wohl von den beiden abgebildeten Zeichnungen inspiriert - noch Augenmaß und intuitiv die definitive Klärung der Proportionen, d. h. das gleichgewichtige Miteinander von "Raumkörper" (als solchen versteht Steinbrenner die Leerräume in seiner Figur) und Volumen. Ist dergestalt die Gliederung beider plastischer Entitäten ausponderiert, wird sie mit groben Markierungsmarken auf den Holzblock übertragen. Die ersten Keilschnitte können beginnen. Von ihrer Tiefe hängt alle weitere Reliefgebung ab. In den nun zu betrachtenden Arbeitsschritten liegt die zukünftige Figur auf dem Rücken, und der Bildhauer nähert sich ihr zunächst von der Seite. Mit den ersten Keilschnitten bestimmt er die dreifache Abtreppung der Seitenansicht von links nach rechts gesehen in „Beinpartie“, "Rumpf“ und „Kopf“. Sie bildet sich in der vorkragenden „Rumpfpartie“ schon stärker heraus. Der nächste Schritt rhythmisiert (wiederum von links nach rechts gesehen) in der Abfolge von zuerst flacheren, dann tieferen Einschnitten schon die künftige Hauptansicht. Sie wird in Abb. 8 zum Betrachter hin mit 90º gedreht, so daß nun die überflüssigen Teile von oben nach unten weggeschlagen werden können. Dies ist in Abb. 9 soweit fortgeschritten, daß die dominante Lage des "Kopfes“ (rechts) schon ersichtlich wird. In den folgenden Werketappen arbeitet Steinbrenner, je mehr das Ende naht, zunehmend mit der blanken Schneide in der Hand und erreicht damit die für ihn typische „pulsierende“ Oberfläche. In Abb. 10 steht die fertige Figur aufgerichtet da und wird von oben nach unten mit dunkler Beize gefaßt und imprägniert. Dies ist Schutz und ästhetische Maßnahme zugleich. Denn die schwarze Färbung vereinheitlicht die Formgebung und führt sie - über eventuelle Unebenheiten des Werkstücks hinweg - sozusagen zu sich selbst zurück. Nichts soll von der Stimmigkeit der Verhältnisse und der exemplarischen Blockbindung ablenken. Jedwede Heftigkeit des schweren, ausschließlich körperlichen Arbeitseinsatzes scheint gelöscht, ja aufgehoben in das reine Formengefüge.
Der Betrachter Steinbrennerscher Figuren sieht sich dazu aufgerufen, jene Volumen ausfindig zu machen, in denen sich die Maße des Ausgangsblocks erhalten haben. In unserem Beispiel markiert der "Rumpf" (von vorn gesehen) die Breite, die "Fuß“-Partie (von der Seite gesehen) die Tiefe und schließlich der „Kopf“ die Höhe des primären Blocks. Wie aus der Systematik von Steinbrenners Arbeitsweise ersichtlich wurde, behauptet sich der Block als die maßgebende Instanz durch den ganzen Entstehungsprozeß hindurch! Diese Erkenntnis ist wichtig, denn Blockbindung und Belebung des Blocks durch das Ineinandergreifen von Raumkörper und Volumen ist seit über 30 Jahren das eigentliche, vielgestaltige Thema Hans Steinbrenners. D. h. in der ausgeführten Figur bringt der Formenbau in Relation zum Idealmaß des Ausgangsblocks die intuitiv gefundenen harmonischen Verhältnisse der Teile zum Ganzen körperhaft in menschlicher Anmutung zum Erleben. In diesem Beziehungsgeflecht erscheint alles miteinander so verfugt, daß man von einer Identifikation der Figur mit sich selbst sprechen könnte. Ihre Selbstbegründung findet sie im Block. Er ist für Steinbrenner "höchstes Gestaltelement“. Im gleichen Kontext schreibt der Bildhauer 1965: "Das gesamte figurale und bildnerische Geschehen ist nur soweit richtig, wie es im Block Verankerung, Verklammerung und Verschwisterung erfährt. Das subjektive Wollen, die Wahrnehmung taktiler und visueller Art, die der Bildhauer an die reine Objektivität des Blockes heranbringt, erfahren erst hier ihre Realisation und Objektivation. Die Ausgangs- oder Grundform des Blockes ist eine statische Form, die durch das Eindringen des Raumes rhythmisiert und dynamisch akzentuiert wird. Statik und Dynamik kommen dadurch in einem solchen Gefüge in eine Korrelation, wodurch beide gesteigerte Bedeutung erhalten.“
Identifikation ist im Falle Steinbrenners nicht nur in der persönlich-manuellen Durchdringung des Werkstücks, auch nicht nur in der konzeptuellen Schlüssigkeit der Figur gegeben, sondern ldentifikation zählt für Steinbrenner noch auf einem dritten Plan. Gemeint ist die unauflösliche Einheit von Natur und Kunst-Gestalt. In jeder Holzstele verbindet sich idealiter der aufstrebende Formenverband mit der gewachsenen Höhenverstrebung des Baumes. (Eine "liegende" Holzfigur folgt derselben in gleitender Streckung.) Spätere Risse werden zwar geschlossen, aber ihre leisen Arhythmien, die sie in die Gestalt bringen, werden gern um der Steigerung des lebendigen Ausdrucks willen akzeptiert. - In jedem Steinbildwerk sucht Steinbrenner in der hier besonders dichten Verfugung der Formen auf die Kristallstruktur des Steines zu antworten.
Diese divergierenden Natur-Vorgaben bestimmen den Holz- und Steinbildhauer Steinbrenner weitgehend: "Wenn ich einen Stein bearbeite“, vertraute er Claire Hellweg 1986 an, "dann ist das wie einatmen, d.h. verdichten, während das Arbeiten in Holz viel schneller geht, wie ausatmen. Ich mag diesen Rhythmus in meinem Schaffen, der durch die jeweilige Lebenssituation bedingt ist. In einer dynamischen Situation bevorzuge ich Holz, weil das dynamisch mit der Axt bearbeitet sein will; in einer konzentrierten Phase wähle ich den Stein, der mich zu einer monotonen Sachlichkeit zwingt.“

INDIVIDUATION
Welche Ausmaße diese "Sachlichkeit" bei Hans Steinbrenner annehmen kann, sei im Blick auf eine zweite, in ihrer Art freilich singulären Entstehungsgeschichte, nämlich auf die Genese der hier ausgestellten Figur in Basaltlava von 1990 näher untersucht. Bezieht man alle Imponderabilien, die nachweislich in diese Figur eingingen, mit in die Betrachtung ein, so kommt in diesem wichtigen Werk Steinbrenners zu dem tragenden Moment der Identifikation besonders auffällig noch das der "lndividuation“ hinzu. Wie geht das zusammen?
Es begann, und man kommt nicht darum herum, mit einer Geschichte. Von früher Jugend an hatte Steinbrenner auf dem täglichen Schulweg mit dem Fahrrad den kleinen Bach "Woog“ bei der Nidda zu überqueren. Als Brücke diente ein irregulär geformter, mächtiger Stein aus Basaltlava. Während der Vorbereitungen zur Frankfurter Bundesgartenschau schüttete man die Woog zu und der erinnerungsträchtige Stein landete auf dem Abfallhaufen. Hier entdeckte ihn Steinbrenner 1986 wie einen guten alten Freund, "löste“ ihn aus und ließ ihn in seinen Ateliergarten bringen. Noch heute kann Steinbrenner so lebhaft von der Vergangenheit dieses Steines berichten, als wäre er von Haus aus Geologe. Man erfährt, daß dieser Stein im Bockenheimer Basaltbruch gebrochen wurde, also dort, wo die letzten Ausläufer der Lavaschichten des Vogelsberg-Vulkans verhindern, daß die Nidda nicht früher - als dann von Rödelheim aus - in den Main fließen kann. Man lernt weiter, wo in Frankfurt die "Basaltstraße“ verläuft, welche Kirchen mit Bockenheimer Basaltsteinen gebaut wurden und warum der reine Basaltstein, wie ihn der romantische Maler Carl Gustav Carus als Sujet liebte, für den Bildhauer so gut wie nicht in Frage kommen kann.
Noch immer zeigt sich Steinbrenner von der bewegten Ursprungsform „seines“ Steines fasziniert. Warum mußte er seine Patina zerstören, fragt er sich heute mit einem gewissen Bedauern und gibt sich sogleich, auf eine für ihn bezeichnende Weise, selbst die Antwort: „Ein Japaner hätte ihn an einem Ende begradigt, aber sonst so gelassen. Der unsensible Europäer muß ihn bearbeiten und in eine Individualität überführen.“
Diesen Individuationsprozeß vollzog der Europäer Steinbrenner vom August bis November 1990. Nach dem oben beschriebenen Procedere wurde das tonnenschwere objet trouvé allseits begradigt und in eine in diesem Fall leicht konisch zulaufende Ausgangsform gebracht, sodann mit den gegebenen Maßen ein Bozetto erstellt, der seinerseits die strenge Binnengliederung der Stele genau vorklärte. Wie die Abb. 13 zeigt, arbeitet sich Steinbrenner vom „Kopf“ fußabwärts voran. Erst wenn die Figur in ihren Außenumrissen steht, kann auf der Hauptansichtsseite in weiterer, mühevoller punktueller Meißelarbeit der Raumkörper herausgeholt werden. Dies muß in äußerster Behutsamkeit geschehen. Während der Holzstamm in bestimmten Arbeitseinheiten zügig geöffnet werden will, damit er zum Trocknen kommt, ist mit schneller Arbeit am Stein nichts auszurichten. Je härter der Stein, desto schärfer zeichnen sich die Blockgrenzen und Leitlinien der Komposition ab. Im Stein erscheint Steinbrenners Figuration noch fester in die kubische Ausgangsform verspannt. Wie maßgeblich diese noch lange bleibt, demonstriert Abb. 15. Hier ist an der "Fuß/Sockel'-Zone und rechts an dem oberen Profil des noch nicht völlig herausgeschlagenen "Kopf/Brust“-Steges die ursprüngliche Blockgestalt gut ablesbar. Steinbrenner beläßt sie so lange, als bis er in der unteren Zone die zu entfernenden Steinmassen von außen nach innen und in kreisenden Bewegungen von allen Seiten vollständig abgetragen hat. Erst nachdem hier der Raumkörper freigelegt wurde, geht er dazu über, den Spitzmeißel an die „Schulter“-Kanten anzusetzen. Dabei wird die Masse jeweils von den Kanten aus weggeschlagen.
So gewinnt man alles in allem den Eindruck, als ob Steinbrenners Steinfiguren allmählich wie unter einem Gerüst von Kanten-Strahlen heraustreten. Schon 1965 stand für ihn fest: "Was ist Bildnerei anderes als Licht, das das Material zum Strahlen bringt!.“ Eben das vollziehen im besonderen seine Steinfiguren. Sie bezeugen über den langen Prozeß ihrer lndividuation hinweg die immer wieder erneuerte Erfahrung einer richtunggebenden kristallinischen Prägekraft. Sie spricht sich in der individuellen Gestaltidee von Figur zu Figur verschieden aus, doch alle zusammen trägt das Gesetz des Kristalls - oder, um es theoretisch präziser zu fassen, das Gesetz der "Ordnung'.

ORDNUNG
Die Suche nach einer heute zeitgemäßen Ordnung steht im Zentrum von Steinbrenners Ästhetik. Ordnung bezeichnet für ihn ein "geistiges Korrektiv“ und er meint das in der Nachfolge des von ihm verehrten späten Mondrian ganz konkret. So wie dieser einer „Gesellschaft von Gleichgewichtsbeziehungen“ zuarbeiten wollte, so soll auch Steinbrenners durchproportionierte, aber in ihrer Konstruktion belebte abstrakte Figur auf ein generelles gesellschaftlich-kommunikatives Desiderat verweisen. Für Steinbrenner bedeutet die „unerhörte Anstrengung des Versöhnungsversuches vom Ganzen und seiner Teile heute schon echte Utopie.“
In diesem „Versöhnungsversuch vom Ganzen und seiner Teile" liegt das eigentliche Credo des Bildhauers Hans Steinbrenner. Es geht ihm, so Lorenz Dittmann, um "die Setzung eines Ganzen bei Bewahrung der Besonderheit der Teile. Solche Bewahrung der Eigenart jeden Teils (...) ermöglicht allein eine quantitative Gleichheit bei qualitativer Verschiedenheit der Teile“. Wie einsam und gegen den Zeitgeist gerichtet solche Grundsätze Steinbrenners schon in den späten 60er Jahren waren, als allerorten die Minimal Art ihren Siegeszug antrat, lehrt z. B. der Blick auf die "Liegende Figur“ von 1969. In dieser Holzarbeit unterteilt Steinbrenner den Block nach seinem der Mondrianschen Bildgestaltung verpflichteten System senkrechter und waagrechter Setzungen, wie er es seit Beginn der 60er Jahre in sein Werk einführte. Er setzt einzelne Kompartimente neben- und übereinander, die jeweils ein annähernd gleiches Massenvolumen umschließen, aber in der individuellen Formgebung verschieden bemessen sind. So wird diese Komposition von einem qualitativen Elementarismus bestimmt, der sich der quantitativen Egalisierung eines Donald Judd z. B. subtil widersetzt. Judd besteht auf der absoluten Gleichheit der Teile in Proportion, Masse und Material, Steinbrenner auf ihrer qualitativen Unterscheidbarkeit und Integrationsfähigkeit in ein übergeordnetes, „komponiertes“ Ganzes. Der gesellschaftliche Rückbezug lautet denn auch bei Steinbrenner: Nur wenn jedem Individuum seine Besonderheit in demselben garantierten „Freiheitsvolumen“ (Steinbrenner) zugestanden wird, kann sich eine echte communio bilden.
Die "Liegende Figur' von 1969 entstand werkgeschichtlich gesehen in einer wichtigen Umbruchszeit. In ihr hatte Steinbrenner bereits seinen Rigorismus der letzten "Quader“-Konzentration, wie er schon in der Kalkstein-Figur von 1966 (die die Städtische Galerie im Städel besitzt) in ersten Ansätzen überwunden wurde, vollends aufgegeben. Denn hier war für ihn eine Ordnung erreicht, deren äußerste Verdichtung volumengleicher Elemente keine weitere Kompositionsfähigkeit mehr zuzulassen schien. Diese Phase bezeichnet Steinbrenner heute als seinen „Nullpunkt“. Die Perfektion und die Unauflösbarkeit der Quaderfigurationen von 1965 drohte ihn zu „ersticken“. Es bedurfte neuer Orientierungen. Sie kamen maßgeblich von Otto Freundlich und seinem dynamischen Elementarismus. Ihn hatte Steinbrenner während eines internationalen Bildhauer-Symposions in Berlin 1963 entdeckt, wo der von den Nationalsozialisten ermordete Maler und Plastiker - reichlich spät - im Foyer der "Volksbühne“ seine erste deutsche Ausstellung nach dem Krieg erhielt. Vor allem an Freundlichs Bildern fesselte ihn fortan der „Zusammenhang von planmäßiger Konstruktion und intuitiver Arbeitsweise“. Bei ihm, so führt Joachim Heusinger von Waldegg weiter aus, "erfährt die geometrische Form eine Abschwächung ihres Formwertes zugunsten ihrer dynamischen Strukturwerte“, so daß Freundlich selbst für sich eine "Nähe der Geometrie zum Organischen“ beanspruchen konnte.
Es bedurfte einiger Jahre, um Freundlichs Anregungen in die eigene bildnerische Formensprache aufzunehmen und zu transformieren. Die Umsetzung erfolgte, wenn ich richtig sehe, über die eigenständige Adaption von Freundlichs Dynamik. Sie wandelt sich bei Steinbrenner zu einer spezifischen Rhythmik, mit der er - ab 1967 - die Durchgliederung seiner Blöcke stärker belebt. Seine abstrakten Volumen werden von nun an in ihren unterschiedlichen Ausmaßen freier miteinander verbunden. Dadurch kann des öfteren die Anmutung eines menschlichen Organismus entstehen, die die "Potenzierung des Blocks“ (Steinbrenner) gleichsam übergreift - aber nur insoweit, als sie sich in den "Gleichgewichtsbeziehungen“ der reinen Figuration erfüllt. Nur in diesen abstrakten Grenzen ereignet sich das, was man Steinbrenners heroischen Versuch, den Konstruktivismus zu humanisieren, nennen könnte. Mit diesem Versuch steht er, denkt man einmal in größeren historischen Zusammenhängen, in der erwiesenen Nachfolge eines Hans von Marées, dessen Erbe er schon früh über seine Lehrer, Hans Mettel und Toni Stadier, begegnet war und der ihm zusammen mit Lehmbruck, aber auch mit Oskar Schlemmer (und dem frühen Bauhaus) bis heute ein ständiger Gesprächspartner bleibt. Vor diesem Horizont gesehen, versammelt jede seiner asketischen Holzstelen und jede seiner im Licht erstrahlenden Steinfiguren einen spirituellen Existenzraum um sich, dessen moderne "Klassik“ man letztlich nur aus den besagten, immer noch vitalen Traditionsbezügen heraus verstehen kann.

Text von Christa Lichtenstern
(Auszug aus dem Katalog „Hans Steinbrenner-Skulpturen im Städelgarten“)

Bibliography

Bibliography

Hans Steinbrenner-Skulpturen im Städelgarten; Texte von: Ursula Grzechca-Mohr, Christa Lichtenstern, Irmtraud Schaarschmidt-Richter, Heinz Vogel; Adolf und Luisa Haeuser Stiftung für Kunst und Kulturpflege, Frankfurt am Main / Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie, 1996;94 Seiten; ISBN 3-921606-32-2

Hans Steinbrenner - Skulpturen 1948 - 1960 (Ausstellungskatalog 23.10.-16.12.1990); Texte von: Karlheinz Gabler, Christa Lichtenstern, Irmtraud Schaarschmidt-Richter; Sinclaire-Haus, Altana AG, Bad Homburg v.d.H., 1990; 132 Seiten; keine ISBN-Nummer

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Blickachsen 1 - 11

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