Exhibition at Nusser & Baumgart

Herbert Nauderer
Ausstellung vom 21.06. – 03.08.2002
Galerie Nusser & Baumgart Contemporary, Residenzstraße 10, 80333 München

Die Zeichnung erlaubt ein immenses Maß an Spontaneität, einen großen künstlerischen Freiraum für Gestaltungsmöglichkeiten und durch ihren prozessualen Charakter ein experimentelles Suchen im nahezu unermesslich variierenden Spiel der Spannung von Linien und Formen. Nach Hegel gilt sie als "unmittelbare Niederschrift des Geistes".
Sie verlangt - wenn sie mehr sein soll als rein materielle Sichtbarmachung der künstlerischen Phantasie- und Gefühlswelt - formale Gestaltungskriterien, ein vorausschauendes Durchdenken der Komposition und eine sehr sichere Fertigkeit der Hand.

Herbert Nauderer (geb. 1958) widmet sich ausschließlich dem Medium der Zeichnung; ist sich ihrer Möglichkeiten und Anforderungen bewußt. Seine meist in Zyklen zusammengefassten Arbeiten sind Hervorbringungen einer spezifischen Situation der Konzentration, wie sie meist nur die Nacht gewährleistet. Sie entstehen als Zeugnis eines langen, kraftraubenden Weges, währenddessen Nauderer extreme emotionale, psychische Zustände - oftmals unter Einfluss von stark rhythmischer Musik - zulässt, auslotet und zu Papier bringt. Zugleich sind sie Ausdruck eines kontrollierenden, maßregelnden Form- und Gestaltungswillens und bewegen sich im Zwischenbereich von Figuration und Abstraktion.

Konkrete Spuren seiner Inspiration, etwa aus anatomischen und mikrobiologischen Studienbüchern, finden sich in seinen früheren Arbeiten integriert als Buchseitenausriß oder als Darstellung einer besonders augenfälligen Form wieder. Vielfach lösen sich nur noch in Fragmenten angedeutete Gestalten und Kopfformen gänzlich in spannungsreiche Linienkompositionen auf, die stets jedoch eine Etappe des künstlerischen

Weges und eine ganz eigene Handschrift erkennen lassen. Nauderer selbst vergleicht seine Arbeiten teils mit Partituren und betont in anderen den Charakter eines Zustandsberichts, der seiner Auffassung des Mediums entgegenkommt. Die verwendeten zeichnerischen Mittel sind meist reduziert auf Kohle, Graphit und Oilstick. Zuweilen setzt Nauderer auch unkonventionelle Mittel ein, zeichnet mit Kaffee und Rotwein oder mischt Asche unter. Farbigkeit, wenn sie denn auftritt, ist im Tonwert verhalten, doch funktioniert sie als überraschendes, markantes Moment im Gros von Schwarz und Weiß. Mit sparsamen Mitteln gelingt es Nauderer, menschliche Gefühlskonstellationen zu skizzieren, die sich mit Worten wie Eros, Entstehen und Vergänglichkeit, menschliche Wärme, Einsamkeit, Vertrauen, Furcht und Verlangen umschreiben lassen. Sein Arbeiten bieten nicht nur einem der realen, vorgefertigten Bilder überdrüssigen Betrachter, einen befreienden Raum für Interpretation und Nachdenklichkeit.