1957 geboren in Lienz
1974 - 80 Studium der Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, Meisterschule Lehmden
1979, 80 Meisterschulpreis
1980 Diplom
1983 Arbeitsstipendium der Gemeinde Wien
1983 - 87 Musikprojekt "Laut Vereinbarung", Konzerte unter anderen im Museum für moderne Kunst, Palais Liechtenstein, Wien;
"Konfrontationen", Jazzgalerie Nickelsdorf, Burgenland; "Begegnungen", Engelsburg in Neustift, Südtirol;
"50-Stundenkonzert" in der Galerie Rem, Wien
Musikprojekt "Earfuck", Konzert in der Galerie Rem, Wien
seit 1985 Lehrauftrag an der Akademie der Bildenden Künste, Wien
1986 Hauptpreis des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst beim 20. Österreichischen Graphikwettbewerb
1989 Teilnahme am Symposion "Tod Exodus Wandlung" im Schloß Poppendorf, Steiermark
1990 Teilnahme an der 7. Künstlerbegegnung im Stift St. Lambrecht, Steiermark
1993 Teilnahme am Symposion "Sinai-Berg des Bundes" in Nuweiba, Ägypten
1993 Teilnahme an der 10. Künstlerbegegnung im Stift St. Lambrecht, Steiermark
seit 1995 Universitätsassistent an der Akademie der Bildenden Künste in Wien
1995 Teilnahme an der ART COLOGNE, Köln, bei Galerie Norbert Blaeser - Düsseldorf
1996 Teilnahme an der KUNST WIEN 96, Wien, Museum für angewandte Kunst, bei Galerie Wolfrum
1999 Teilnahme an der BIENNALE INTERNAZIONALE DELL'ARTE CONTEMPORANEA, (K), Fortezza da Basso, Florenz

bis 28.02.2003
WIEN: "Österreichische Radierung heute", der österr. Beitrag zur Biennale dell´Incisione Contemporanea, Italia - Austria, Mirano/Venezia, 2002, in der Galerie im Sitzungssaal der SPÖ Landstraße, Landstraßer Hauptstraße 96, 1030 Wien

29.03. - 29.05.2003
KAIRO/ALEXANDRIA: 4th Egyptian International Print Triennale

20.04. - 08.06.2003
VILL/Tirol: "Österliches Hochaltarbild", Pfarrkirche St. Martin, seit 2002 jährlich Ostern bis Pfingsten

08.05. - 27.09.2003
WIEN: "KÖRPER, Auswahl 1997-2003", Ebner-Wohnkunst, 4., Schleifmühlgasse 15
Eröffnung Do. 08.05. um 19 Uhr

16.05. - 22.06.2003
DÖLSACH/Osttirol: "Drucksache", Kunsthaus Rondula
Druckgraphik von Wolfgang Buchta, Michael Hedwig, Konrad Planegger, Wolfgang Marx, Petar Waldegg und Savio
Eröffnung am Fr. 16.05. um 19 Uhr

TÜRKEIAUSSTELLUNGSSERIE 2002, ÜBER KÖRPER - BEDEN ÜZERINE
5. Station: Staatsgalerie, Balikesir, 20.06. - 18.07.2002
6. Station: Gemeinde Zeytinli bei Balikesir, im Rahmen des Sommerfestivals
7. Station: 71st Izmir International Fair, 26.08. - 10.09.2002

CLUB DRUCKGRAPHIK, am Dienstag, 18.06.2002, 20 Uhr
Die Kleine Galerie, Kundmanngasse 30, 1030 Wien

SEQUENZEN AUS NORD/OST
Kunsthaus Rondula, Dölsach bei Lienz, Osttirol
Gerhard Gepp, Michael Hedwig, Eleonore Hettl, Wilhelm Kollar
Karl Korab, Wilhelm Pernersdorfer, Savio, Peter Weber
Eröffnung am Freitag, 21.06.2002, 19 Uhr
durch Dr. Ursula Strobl, Bgm. Josef Mair, Mag. Thomas Hofmann
Dauer der Ausstellung: 22.6. - 08.09.2002

2002 Istanbul: "Über-Körper, Druckgraphik", Galerie Karsi in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Kulturforum, Eröffnung am Mo. 04.03.2002, bis 31.03.2002.
2002 Istanbul: workshop "printmaking" für Studierende der Meisterklasse für Radierung und Graphische Techniken an der Mimar-Sinan-Universität, Druckwerkstatt der Galerie Karsi, 05.-07.03.2002.
2002 Eröffnung am 30.03. Altarbild Pfarrkirche St. Martin, Vill / Tirol
2001 "In den Alpen", 21.09.2001, Galerie im Sitzungssaal, A-1030 Landstrasse (A)
2000 "ZELT-KÖRPER", (K), Galerie Schloß Neuhaus, Salzburg
2000 Galerie Michel Ray, Paris
2000 Galerie Klaus Angerer, Congress, Innsbruck
2000 Die Kleine Galerie, Wien
2000 Galerie Gaudens Pedit, Lienz
1998 Überkörper, Galerie Kunsttreff Küniglberg, Wien
1997 "transform", (K), Galerie Klaus Angerer, Schwaz
1997 "transform", Galerie Monika Reile, München
1996 "transform", Galerie Wolfrum, Wien
1996 "transform", Galerie Gaudens Pedit, Lienz
1995 Einzelausstellung im Rahmen "Realismusprojekt", (K), Galerie Schloß Neubaus, Salzburg
1995 "Gärten", (K), Galerie Norbert Blaeser, Düsseldorf
1994 "works on paper", fluxus art gallery, Zypern
1994 "Aquarelle, Zeichnungen, Ölbilder", Galerie Klaus Angerer, Tirol
1993 "NIJINSKIJ", (K), Galerie H-Punkt, Klagenfurt
1993 "Bilder", (K), Galerie Gaudens Pedit, Lienz und Innsbruck
1993 "AQUARELLE", Galerie Rondula, Lienz
1992 "MOVE ON", Wien
1991 "jake your body", (K), Theseustempel, Wien
1991 "paintings", (K), Kunsthalle Steinamanger, Szombathelyi Keptar, Ungarn
1990 "homo maximus", (K), Galerie 4 im Priesterseminar Graz
1990 "KÖRPER", (K), Tiroler Kunstpavillon, Innsbruck
1990 Galerie Anna Briem, St.Johann in Tirol
1990 Galerie Rondula, Wien
1987 "pictures", Galerie Museum, Bozen, Italien
1985 Galerie der Stadt Lienz, Osttirol
1984 Förderungsgalerie der Gemeinde Wien - Alte Schmiede
(K) = Katalog

2002 Wien: "Vor der Reise nach Paris", Wolfgang Buchta, Michael Hedwig, Christoph Kiefhaber, Georg Lebzelter, Michael Schneider, Veronika Steiner, Stoimen Stoilov, Herwig Zens. Galerie im Sitzungssaal, 3., Landstraßer Hauptstraße 96, Eröffnung am 01.02.2002 um 19 Uhr, bis 03.03.2002
2002 Paris: "Salon International de l'Estampe", Druckgraphikmesse, 22. - 25.03.2002, in Zusammenarbeit mit Die Kleine Galerie, Wien.
1999 "Bewegte Körper-Transformationen", Stadtgalerie St.Veit/Glan
1999 "Apokalypse-now", Kunstpreis der Diözese Innsbruck, (K), Stift Wilten, Innsbruck
1999 "Lithographiewerkstatt", Galerie Schloß Neubaus, Salzburg
1998 "Lithographiewerkstatt", Galerie Schloß Neuhaus, Salzburg
1997 "HIN&RETOUR", (K), Stadtgalerie Lienz
1997 "theseustempel", Wien
1997 "Lithographiewerkstatt", Galerie Schloß Neuhaus, Salzburg
1996 "Herz", Kunsthaus Rondula, Osttirol
1996 "Monet", Galerie Wolfrum, Wien
1996 "Herz Jesu - Kunstpreis der Diözese Innsbruck, (K), Stift Wilten, Stift Stams
1995 "Die Meditationen", Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz
1995 "Kunstankäufe des Landes Tirol", Galerip der Marktgemeinde St. Johann in Tirol
1995 "Realismusprojekt", (K), Galerie Schloß Neuhaus, Salzburg
1995 Wanderausstellung der Akademie Vulkaneiffel in Steffeln, Trier, Mainz, St. Vith in Belgien
1994 "sichtweisen", Galerie Rondula, Wien
1994 "Musik der Religionen", eine inszenierte Ausstellung, Hall in Tirol
1994 "ART TIROL", (Buch), Galerie im Taxispalais, Innsbruck
1994 Galerie Renu, Silz
1993 "Phänomen Maria", (K), Stift St. Lambrecht, Steiermark
1993 - 97 Wanderausstellung "Theresienstadt", (K), Theresienstadt, Prag, Wien, Innsbruck, Hall, Salzburg, Budapest, Graz, Würzburg, Bratislava, Jerusalem, Ottawa, Montreal, Washington, Haverford, New York City, Albany, Santa Barbara, Los Angeles
1993 "Kunstraum Kirche", (K), Innsbruck
1993 "SINAI-Berg des Bundes", (K), Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz
1993 Zusammenarbeit der Meisterschule Lehmden mit "Projekt Gedenkdienst"
1992 "TRANSIT", (K), Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz
1992 "KUNSTBODEN", (K), in der Schule, Dölsach, Osttirol
1992 "Kunstankäufe des Landes Tirol", Galerie im Taxispalais, Innsbruck
1991 "TRANSIT", (K), Galerie der Stadt Lienz,
1991 "TIROL '91", Universität Innsbruck
1990 "works on paper", fluxus art gallery, Zypern
1990 "...und nicht anders", (K), Stift St. Lambrecht, Steiermark
1990 "TRANSIV, (K), Tiroler Künstler im Künstlerforum, Bonn
1990 "WIDER-SCHEIN", Aspekte des Religiösen in der Österreichischen Gegenwartskunst, (K)
1990 Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck
1989 Neue Mitglieder der Tiroler Künstlerschaft, Tiroler Kunstpavillon, Innsbruck
1989 "GOTT", (K), Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz
1989 "TOD EXODUS WANDLUNG", (K), Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz
1988 "JUGENDWERKE", Akademie der Bildenden Künste, Wien

1999 Kleine Zeitung, Graz, Ostersonntag 4.April, Michael Fleischhacker, Hintergrund: "Volle Präsenz"
1999 Tiroler Kulturzeitschrift "das Fenster, 68", Ass. Prof. U. Gansert "Überkörper - Zur Malerei von Michael Hedwig"
1991 Zeitschrift, Feine Adressen Wien, Elisabeth Tank "Portrait eines Malers"
1988 Tiroler Kulturzeitschrift "das Fenster, 44", F. F. Zollner "Ãœber Bilder von Michael Hedwig"
1988 Jahrbuch der Museumgalerie Bozen, Dr. Markus Klammer"pictures"

Die Lithographien entstanden in der Lithographiewerkstatt Schloß Neuhaus, Salzburg
Drucker: Klaus Wilfert
Lithographien gedruckt auf Lithobütten 210 g
Die Radierungen "Zelte", 1999, und "Körper", 1999, entstanden in der Werkstatt von Konrad Planegger, Wien
Drucker: Walter Strobl
Alle übrigen Radierungen etstanden in der Werkstatt von Michael Hedwig im Eigendruck
Radierungen gedruckt auf Bütten-Kupferdruckkarton "CUVE BFK RIVES" 250 g

Michael Hedwig zählt zu den anerkanntesten Malern der österreichischen Gegenwartskunst. Als Individualist geht er seinen Weg abseits der vorgegebenen künstlerischen Trends. Sein Thema ist vor allem der Mensch, seine Körperlichkeit wie seine Psyche, letztlich seine Seele. Seine Bilder geben einen Eindruck von Bedrohung, Vergänglichkeit, Hinfälligkeit und Ausgesetztheit des menschlichen Lebens. In Gruppierungen, die nicht im Dialog zueinander stehen, sondern eher in geometrisch anmutenden Bildchoreographien angeordnet sind, sind diese Körperbilder auch Ausdruck des Kollektivs, der Masse, der Serie.
Michael Hedwig ist damit ein Künstler, der sich intensiv mit unserer Gesellschaft und ihren Mechanismen auseinandersetzt, der die Situation des Individuums darstellt und künstlerisch analysiert, ein Darsteller menschlicher Befindlichkeit. Seine neue Ausstellungsserie "ZELT?KÖRPER", die in einer Reihe österreichischer Städte und in Paris zu sehen sein wird, zeigt diese Qualität einmal mehr in faszinierenden Bildern. Meine besten Wünsche begleiten diese Ausstellung, die sich viele Besucher verdient hat.
Peter Marboe, Amtsführender Stadtrat für Kultur von Wien, 2000

Die Lithographiewerkstatt in Schloß Neuhaus hat im Jahr 1997 mit ihrer Arbeit begonnen. Schon im ersten Jahr begann die regelmäßige Zusammenarbeit mit Michael Hedwig, der auch am Realismusprojekt der Galerie 1994?1996 teilgenommen hatte.

Für die Lithographiewerkstatt ist die unmittelbare Zusammenarbeit zwischen dem Künstler und dem Lithographen Klaus Wilfert kennzeichnend. Ziel ist die möglichst vollständige technische Ausschöpfung der vielfältigen Möglichkeiten des Steindrucks, nicht erst während des Druckvorganges, sondern schon bei der Vorbereitung, Zeichnung und Präparation des Steines.

Michael Hedwig ist es gelungen, die Möglichkeiten dieses künstlerischen Prozesses vom ersten Blatt an voll auszuschöpfen. Entstanden im Jahr 1997 zunächst fünf Schwarz?Weiß?Blätter, so erweiterte sich das Spektrum im Jahr 1998 zu einer virtuosen Übertragung der Farbwelt seiner Gemälde in den lithographischen Bereich. 1999 verarbeitete er die Erfahrungen der beiden Vorjahre in gewachsener Konzentration zu den drei Blättern "In den Alpen I und II" und "Körper".

Greifen die Schwarz?Weiß?Blätter des Jahres 1997 zunächst noch die künstlerische Erfahrung Hedwigs und seine bisherige Formenwelt auf, so deuten die Arbeiten des Jahres 1999 schon die Erweiterung und Öffnung des Farb? und Formenkataloges an, der auch in den gleichzeitig entstandenen Gemälden zu beobachten ist. Allen Lithographien ist aber die treffsichere Nutzung der spezifischen, in keinem anderen Medium wiederholbaren Möglichkeiten der Lithographie zu eigen: Die Technik verbindet unterschiedlichste Strukturen zu einer einheitlichen Bildsprache. Gerade angesichts des einfühlsamen Umgangs von Michael Hedwig können die über das Reproduktive weit hinausgehenden Möglichkeiten dieses Mediums ermessen werden.

Dr. Nikolaus Topic?Matutin, Schloss Neuhaus, Salzburg, 2000


Die Zelte der Mystik - Erläuterungen zur Druckgraphik Michael Hedwigs

Michael Hedwig entwickelt sein künstlerisches Thema, das Menschenbild, in der Druckgraphik konsequent weiter. Er präzisiert, bedingt durch die von den druckgraphischen Mitteln erforderte Konzentration, seine ästhetische Aussage; die Druckgraphik veranlasst ihn, sein künstlerisches Wollen mit größter Schärfe zur Aussage zu bringen.

I.

Michael Hedwig hat vor etwas mehr als zehn Jahren den ersten Impuls zum Drucken an der Akademie der bildenden Künste Wien von Wolfgang Buchta erhalten ? und durch einen Zufall auch gleich eine Druckerpresse gekauft. Seither druckt er regelmäßig, tritt aber erst jetzt, nachdem er sich gemeinsam mit dem Drucker Klaus Wilfert im Atelier Topic-Matutin in Salzburg intensiv mit der Lithographie beschäftigt hat, mit seinem druckgraphischen OEuvre, Lithographien und Radierungen, an die Öffentlichkeit. Schon bisher hat Hedwig Druckgraphik in seine Malerei integriert, nämlich als "Gerüst" für Aquarelle, indem er Schwarz?Weiß?Drucke von meist nur einer Platte malerisch überarbeitete. Dadurch verstärkte er die auch seine Ölbilder kennzeichnende Wiederholung der Gesten, der Figurenkonstellationen; durch die Überarbeitung aber gewinnt jede Geste, jede Figur einen neuen Charakter. Druckgraphik fungierte daher schon bisher im Werk Hedwigs als Nukleus vielfältigen Ausdrucks.

Die Lithographie kommt Hedwigs zeichnerischem Interesse weitgehend entgegen. Seine neuen, in Salzburg geschaffenen Lithographien sind konsequente Fortführungen seiner Zeichnungen, die er seit mehr als zehn Jahren in weich abschattiertem Schwarz?Weiß, in unterschiedlicher Strichstruktur und Flächengestaltung herstellt. Die Arbeit auf dem Stein, der Einsatz von Stift, Pinsel, Kreide, liefern weite Möglichkeiten des Ausdrucks, das Übereinanderdrucken der Farben von vier bis sechs Steinen erzeugt die von Aquarellen oder Ölmalereien so abweichende Farbigkeit. Hedwigs Lithographien sind strenger, konzentrierter, disziplinierter, herber, im Ausdruck gewissermaßen brutaler als seine Malereien.

An der Radierung fasziniert Michael Hedwig zuerst das Material selbst und die Arbeit mit dem Material: das Brechen der Facetten, das Polieren der Platten vermitteln die romantische Aura alten Handwerks, sie erzwingen eine Phase der Besinnung, die Befreiung des Geistes durch konzentrierte Handarbeit. Das Ergebnis geistiger Freiheit ist die Realisation des künstlerischen Gedankens aus dem Material und seinen Eigenschaften selbst, eine Verdichtung im dialektischen Prozess, die nur dann gelingt, wenn Wesentliches gesucht und erarbeitet wird: ein intellektueller Vorgang, und gleichzeitig ein meditativer, der mystischen Verzückung, der schamanistischen Versenkung im Rausch vergleichbar ? der Weite des künstlerischen Schaffensprozesses angemessen.

II.
Die Körperbilder Michael Hedwigs wirken auf den ersten Blick statisch, auf den zweiten jedoch eröffnen sich zahlreiche und vielfältige Bewegungen. Schon auf den Malereien wiederholt Hedwig Körperhaltungen, Gesten, die den Eindruck der Arbeit mit einer Schablone erwecken. Die "Etagenkörper", in bildnerischer Gestaltung und Benennung paradigmatisch für diese Ambiguität, unausgeschöpft in nur einer Technik, machte Hedwig auch zum Thema einer Radierung. In zwei Reihen, Etagen übereinander, stehen Körper, gesichtslos, geschlechtslos, in Gemeinsamkeit durch Gestus und Berührung, eingeschlossen in einem Farbfeld, das durch die Aquatinta den Charakter eines Gitters oder Netzes bekommt: die Menschen stehen beisammen, scheinen aber nicht zu agieren. Die Radierung von zwei Platten zeigt die Figuren in ihrem Miteinander in ihren Räumen. Ruhig, kontemplativ stehen sie da, suggerieren, dass da Aktion, Energie, Miteinander sein müssen, halten inne in einer Bewegung, deren Charakter und Ziel uns nicht einsichtig sind. Sie stehen übereinander, ineinander verwoben, widersprechen dem physikalischen Prinzip, dass an einem Ort zu einer Zeit nur ein Körper sein kann und verweisen darauf, dass mit diesen Körpern anderes als die biologische Körperlichkeit gemeint ist. Damit ist der Weg frei zum Gedanken, die spirituelle Energie im Menschen und im Universum, das Strömen von Kräften, Gedanken, Empfindungen, die Gemeinsamkeit von Überzeugungen, von Ideologien und Lebenshaltungen, den gemeinsamen Kult in der Religiosität ? das mystische Erleben der Gemeinsamkeit ? als zentrales Thema der Kunst Michael Hedwigs zu erkennen. Dieses Übereinander der Figuren, ihre Verschmelzung ergibt sich in der Druckgraphik aus dem Material selbst, bei dem die einzelnen Drucke tatsächlich übereinander gesetzt sind, haptisch erfahrbar und als Facetten (bei der Radierung) wahrnehmbar.

Den Charakter, in einer Bewegung innegehalten zu haben, vermitteln auch die Figuren auf den aktuellen "Zelte"-Bildern. Das Thema Zelte dachte Hedwig, weiter aus den Farbfeldern und ?flächen sowie den kleinräumigen Unterteilungen in den Malereien und Radierungen: schon bisher standen die Menschen auf den Bildern Hedwigs in ihren Räumen, in Schachteln, Boxen, Kästen, die nun zum Zelt werden. Hedwig eröffnet mit den großen Zeltgebilden Konnotationen, begibt sich in ein weites Wortfeld: das Zelt als Biwak, als Notlager nach Katastrophen, als Wohnort der Nomaden, als Urlaubsvergnügen, als Zirkuszelt, als Fest? und Bierzelt; auch die Assoziation an das Himmelszelt legt Hedwig nahe, als den die Welt umfassenden Ort der Meditation und Religiosität, als Handlungsort mystischer Versenkung Lind Verzückung in den Riten islamischer Sufis und Derwische, als Ort der geschützten Gemeinsamkeit mit der Natur. Hedwigs Zelte sind Orte dionysischer Vergnügungen, Orte der Party und des Sex, der Orgie, und ebenso Orte eines geistigen Kollektivs, das sich mystischer Gemeinschaft und Verzückung hingibt: Hedwig stellt die Ganzheit des festlichen Erlebens wieder her, die in unserer heutigen Kultur ersehnt und denunziert wird.

Die gesichtslosen Figuren in enger Interaktion laden durch die zeichnerische Qualität, die den Eindruck mimetischer Wiedergabe der Welt erweckt, zu naturalistischer Lesart ein. Dies wird auch durch die Komposition unterstützt, die in stark betonten Diagonalen Räumlichkeit herstellt ? im Gegensatz zu vielen Malereien Hedwigs, die sich ganz auf die Fläche beschränken. Bei näherem Hinsehen aber erkennt man, dass die Gliedmaßen nicht eindeutig den Körpern zuzuordnen sind, dass etlichen Körpern Gliedmaßen fehlen, anderen Gliedmaßen die Körper. Gerade die Radierung erweckt die Schatten der Glieder: die Abstufungen der unterschiedlich tief geätzten Aquatinta erzeugen verschiedene Grautöne, eine zweite Und dritte Farbplatte, ebenfalls unterschiedlich tief geätzt, liefern unterschiedliche Farbwerte. Ein eindringliches Beispiel dafür sind eine Hand Lind ihr Schatten in einem Zelte?Körper?Bild. Energetische Massen durchdringen einander, liegen übereinander, beeinflussen einander, tauschen sich aus.

III.
Die verschlungenen Körper in Hedwigs Radierungen erinnern an die berühmte Laokoon?Plastik, die Lessing zum Ausgangspunkt seiner Betrachtung über die Möglichkeiten der bildenden Kunst und der Literatur gemacht hat. Die Lesbarkeit der Laokoon?Figur ist für uns gegeben, weil wir die Geschichte kennen, ihren Anfang und Fortgang und ihr Ende. Dieses Wissen haben wir auch von vielen anderen Geschichten und Handlungen, so zum Beispiel haben wir kein Problem, Brueghels Bild "Heimkehr der Jäger" zu lesen: die Handlung, das Ziel des Marsches der Jäger, ihre Vergangenheit und Zukunft sind uns bekannt, so daß wir die Zeichen im Bild eindeutig zuordnen können.

Bei Hedwigs Szenen ist dies, den Traditionen der Kunst des 20. Jahrhunderts entsprechend, anders: unsere Assoziationen können nur individuelle Annäherungen sein.

Wenn wir allerdings die Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit der Gliedmaßen in Hedwigs Radierungen zu einzelnen Körpern bedenken. wenn wir einzelne Hände oder Beine als die Schlangen des Poseidon, die sich um Laokoon und seine Söhne winden, lesen wollen, erkennen wir, dass es hier nicht um eine mimetische Wiedergabe der Welt, auch nicht um einen Augenblick in einer Geschichte geht, sondern um das, was jeder Künstler in der gestaltenden Konzentration der Geschichte auf den Augenblick leistet und was vom Betrachter entschlüsselt wird: um Geistiges um die Darstellung von Körpern als Idee, als Ausdruck, der Seele. Michael Hedwigs Radierungen zeigen uns die Verschlingungen in eine Situation, in einen Lebenszusammenhang. Vielleicht muss das gelesen werden als Gefangensein in einem Netz, als Zwang, unter demselben Dach, in derselben Welt zu leben. Aber durch die Leichtigkeit der Zeichnung, durch die immer wieder durchscheinende Heiterkeit und Festesfreude, durch die erotische Grundstimmung der Bilder, legt Michael Hedwig den Gedanken nahe, in der Zeit?Situation geborgen zu sein, das Leben nicht "ohne Netz" und einsam leben zu müssen, unter demselben Dach geschützt zu sein. Dionysische Lebensfreude überwindet und verdrängt Angst und Unsicherheit, ermöglicht den Menschen, die "In den Alpen" noch ausgeliefert in der Natur stehen, in den Zelten Geborgenheit, Sicherheit und geistig?mystische Gemeinsamkeit zu finden.

Philipp Maurer

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