Catalogue
Offizieller Katalog der IV. Ausstellung des Süddeutschen Photographen-Vereins Stuttgart 1899 in der Städtischen Gewerbehalle beim Stadtpark
12. September bis Anfangs Oktober.
Verfasst vom Sekretär des Vereins F. H. Emmerich, Redakteur der Allgemeinen Photographischen-Zeitung
Content
Zur Einführung
- Gruppe I - umfassend Porträts, Bildnis, Genre, Gruppen
- Gruppe II - Landschaften, umfassend: Architekturen und Interieurs, Landschaften, Momentaufnahmen, und Tierstudien und deren Vergrößerungen in sämtlichen Verfahren und in Aquarell
- Gruppe III - Vergrösserungen, umfassend auf alle Papierarten vergrösserte Bildnisse, Landschaften etc., Retouchen allein, Vignetten, Schaukasten-Rückwände, Kompositionsgruppen
- Gruppe IV - Freie künstlerische Photographie, umfassend das Gesamtgebiet der Photographie in moderner, freier, künstlerischer Auffassung, die in der Photographie nicht den Gebrauchsgegenstand erblickt, sondern sie zum Wandschmuck erheben will.
- Gruppe V - Wettbewerb für Arbeiten auf Bavaria-Trockenplatten der Firma Piller, Bavaria-Trockenpapierfabrik Pasing-München.
- Gruppe VI - Stereoskop-Photographie
- Gruppe VII - Arbeiten auf Mimosa-Platin-Bromsilber-Papiere der Rheinischen Emulsionspapier-Fabrik Hch. Stolle [Heinrich Stolle]
- Gruppe VIII - Arbeiten auf Mimosa-Vergrösserungs-Papiere der Rheinischen Emulsionspapier-Fabrik Hch. Stolle [Heinrich Stolle]
- Gruppe IX - Arbeiten auf Dr. Kurz Celloïdinpapier
- Gruppe X - Autotypie, Strichmanier, Heliogravüre, Farbensysteme
- Gruppe XI - Lichtdruckverfahren, ein- und mehrfarbig
- Gruppe XII - Uebertragungsverfahren
Abteilung: Industrie
- Gruppe XIII - Sonderausstellung Photographischer Trockenplatten
- Gruppe XIV - Sonder-Ausstellung photographischer Papiere
- Gruppe XV - Sonder-Ausstellung photographischer Optik
- Gruppe XVI - Sonderausstellung photographischer Cameras
- Gruppe XVII - Sonder-Ausstellung von Apparaten zur Darstellung der lebenden Photographie, von Apparaten zur Projektion und zu Vergrösserungszwecken
- Gruppe XVIII - Sonder-Ausstellung photographischer Kartons und deren Lithographien
- Gruppe XIX - Sonderausstellung gesamter Atelier-Ausstattungen
- Gruppe XX - Sonderausstellung photographischer Rahmen
- Gruppe XXI - Sonder-Ausstellung photographischer Chemikalien
- Gruppe XXII - Sonder-Ausstellung photographischer Neuheiten
- Gruppe XXIII - Sonder-Ausstellung aller sonstigen Hilfsmittel zur Ausübung der photographischen Praxis
Vorführungen
Nachtrag
Gebäudeplan
Die Thätigkeit des Süddeutschen Photographen-Vereins im Vereinsjahr 1998/99
Geschäftliche Anzeigen der Photographischen Industriewelt
Zur Einführung.
Als wir im Januar dieses Jahres das Programmbuch für die Stuttgarter Ausstellung veröffentlichten, da hatten wir keine grösseren Hoffnungen, als die, eine künstlerisch wohl wertvollere Ausstellung als die Freiburger, aber im selben Rahmen, in gleicher Ausdehnung wie jene zeigen zu können.
Unsere Erwartungen sind bei weitem übertroffen worden; wir finden durchgehend in fast allen Gruppen eine sehr reiche Beteiligung; die Gruppe Porträts allein zeigt 50 Aussteller ; aber das bedeutendere Moment unserer Stuttgarter Ausstellung liegt in dem Erreichten unserer Gruppe IV, in der Entwicklung der Photographie zum individuell behandelten Werk , zum Wandbild. Was die Aussteller der Gruppe IV vorführen . das sind keine schablonenmässigen Arbeiten ohne Absicht, ohne Seele oder Charakter; es sind durchweg Bilder aus dem Leben, charakteristisch erfasste Bildnisse, Ausschnitte aus der Natur, und doch keine leblosen Abklatsche der Natur, sondern Gesehenes und Erlebtes.
Noch ist die Gemeinde derer, die uns mit solchen Arbeiten erfreuen, nicht gross; wir haben 18 Aussteller mit 137 Bildern zugelassen; die Ar-beiten einer grossen Anzahl Einsender mussten wir in andere Gruppen ver-teilen, da dieselben den Bedingungen der Gruppe IV nicht entsprachen.
Um das Bild dieser Gruppe zu einem möglichst einheitlichen und intimen zu gestalten , haben wir die Rahmung der Bilder in München vor-genommen und hoffen auch damit unsern Kollegen manch gute Anregung gegeben zu haben.
In dem engen Kreis unserer Gemeinde der Künstlerphotographen ist man uns von allen Seiten mit dem grössten Entgegenkommen und dem liebevollsten Verständnis begegnet; in den meisten Fällen wurden uns grosse Kollektionen von Bildern zur Auswahl, ja sogar einzelne Bilder in verschiedenen Drucken vorgelegt, so dass wir eine strengere Wahl treffen konnten. Wir haben auch manche Enttäuschung bereiten müssen , doch sind wir sicher, dass diejenigen, die sich mit so viel Eifer der Kunstphotographie widmeten und den Anforderungen unserer Gruppe IV noch nicht genügen konnten, im nächsten Jahr zu den Mitgliedern unserer Kunst-photographen-Gemeinde gezählt werden können.
Treten wir mit dieser Kollektion künstlerischer Wandbilder der Gruppe IV vor das Publikum, das fachlich gebildete wie das Laienpublikum, so wollen wir ihnen noch einige Worte auf den Weg mitgeben:
Der aufmerksame Beschauer wird bald herausgefunden haben, dass fast sämtliche Bilder gewissermassen auf einen Ton gestimmt sind: man vermeidet die Wiedergabe der Details , die Schnittschärfe der Instrumente und wirkt mit breiten Flächen; sorgsam sind dabei die Bildausschnitte gewählt, die Tonwerte abgestimmt und die Fleckverteilungen erwogen.
Nur durch ein harmonisches Zusammenwirken all dieser Faktoren ergab sich dann bei den meisten der Arbeiten diese eminente Bildwirkung, wie sie so schlicht und doch überzeugend hier vor uns tritt; eine Beurteilung der Bilder dieser Gruppe darf also nicht nach der photographisch technischen Seite, am Ende gar nach der angewendeten Objektivleistung sondern nach dem Werte der Arbeiten als Bildwerke vorgenommen werden.
Durch das Entgegenkommen grosser deutscher und österreichischer Kunstanstalten war es möglich, vorliegenden Katalog mit einer ganzen Anzahl Kunstbeilagen zu schmücken; die Vorlagen zu denselben stammen sämtlich aus Gruppe IV.
Wir hoffen, dass der Beidruck dieser Bilder und die vorzügliche Wiedergabe derselben allen jenen Freunden und Angehörigen unserer Vereinigung, die die Ausstellung nicht besuchen können, ein recht anschauliches Bild von dem Werte und dem Umfange der künstlerischen Photographie, wie sie von uns gepflegt wird, geben kann.
Press-Review
Neues Tagblatt und General-Anzeiger für Stuttgart und Württemberg;
56. Jg., No. 219 – Zweites Blatt, Dienstag 19. September 1899
I. - Die photographische Ausstellung in der Gewerbehalle.
Stuttgart, 19. September
Es ist ein Jahrzehnt her. daß uns in Stuttgart eine photographische Ausstellung gezeigt wurde. Wie sich jene,
vom Deutschen Photographen-Verein arrangiert, in ganz eng begrenzten Rahmen bewegte, so will unsere jetzige, vom Süddeutschen Photographen-Verein veranstaltete Ausstellung einen Gesamtüberblick über die Entwicklung der heutigen Photographie, der Reproduktionstechniken und der photographischen Industrie geben. Wir dürfen gleich vorausschicken, daß ihr dies in vollem Maße gelungen ist.
Schon das ganze Arrangement der Ausstellung zeigt, daß in ihr ein neuzeitlicher Geist herrsche: streng ist die schablonenmäßige Anordnung, das systematische Anreihen der Aussteller nebeneinander vermieden; man schuf hier Einzel-Kojen, da große dekorative Wände, dort intime Winkel, und erreichte dadurch, daß der Beschauer die Ausstellung nicht in rascher Gangart absolviert, sondern daß er mit Ruhe die einzelnen Objekte auf sich einwirken läßt.
Betreten wir die Halle, so befinden wir uns in einem großen Saal; es ist mit der Aufstellung großer dekorativer Wände eine natürliche Trennung der Ausstellungs- abteilungen: Photographie und Photographische Industrie erreicht.
Durch große Rundbogen-Oeffnungen der linken Wand gelangt man ins Innere der Abteilung Photographie und zwar in die Gruppe Porträtphotographie.
Wer die Ausstellung schon aufmerksam besehen hat, der wird auch an anderer Stelle nochmals Porträtphotographie gefunden haben, und zwar in der Gruppe IV, freie künstlerische Photographie.
Welcher Grund für eine Trennung lag hier wohl vor? Hier in Gruppe I sollte die Alltagsphotographie mit ihren Mängeln und Schäden, mit ihren Konzessionen an den Allerweltsgeschmack des Publikums, mit den Traditionen der Photographengroßväter gezeigt werden; dort in Gruppe IV kommt die gottlob wieder modern gewordene Auffassung einer Photographie zur Sprache, die den Menschen in ungekünstelter Stellung, den Menschen zu Hause, den Menschen bei der Arbeit und die Natur in ihrer intimsten Stimmung widerspiegelt. Hier Technik, dort Bildwirkung.
Interessant ist es in dieser Gruppe I zu verfolgen, wie schwer einzelne Aussteller sich noch mit den elementarsten Begriffen der technischen Anfänge abmühen und wie andere wieder die Schwierigkeiten aller Techniken überwindend, sich schon als Hospitanten für Gruppe IV girieren.
Die qualitativ beste Leistung in Gruppe I stammt leider nicht aus Stuttgart; es ist eigentümlich und befremdend, daß sich einzelne große Firmen, denen innerhalb der Fach- welt so sehr viel an der Erhaltung ihres Namens gelegen ist, an dieser Gruppe nicht beteiligten. Man sollte wissen und bedenken, daß hier, wo es galt die Leistungsfähigkeit unserer Stadt auf diesem Gebiete zu zeigen, wo nichts anderes erreicht werden wollte, als der Förderung der Photographie dienlich zu sein, jederlei kleinliche Bedenken zu schweigen hatten; die Photographische Ausstellung in der Gewerbehalle ist die größte, die der Kontinent je gesehen, sie ist international nach jeder Richtung; da durften unsere ersten Firmen keinesfalls fehlen. So kam dann der Höchstpreis für die Gruppe Porträt nach Heilbronn.
Kurt Kubica-Heilbronn erwarb sich mit seinen großen Ausstellungen, die an der hintersten Rückwand in dieser Gruppe plaziert sind, die höchste Auszeichnung. Kubica hat sehr fleißige Arbeiten gebracht; er zeigt sich als tüchtiger Kenner interessanter Beleuchtungen, seine Technik des Kohledruckes ist saftig und in der Farbe gut gewählt; auch ohne das große Gruppenbild, auf das er besonderen Wert zu legen scheint, war ihm die Auszeichnung sicher; diese Gruppe ist technisch doch wohl nicht ganz einwandfrei; das ganze ist zu wenig zusammengestimmt, zu wenig in einem Ton gehalten; auch die Verarbeitung der Konturen ist mangelhaft; die kolorierten Bilder konnten ebenfalls fehlen.
Stuttgart wird durch Hans Hildenbrand aufs beste vertreten; er errang sich die goldene Medaille; Hildenbrands Ausstellung wird durch ein großes in modernem Stil gehaltenes Rahmenarrangement sehr geschmackvoll begrenzt; seine ganze Ausstellung zeugt von ungemeinem Fleiß; seine Porträts, insbesondere aber seine Momentaufnahmen sind überaus saubere und flotte Arbeiten; Hildenbrand beherrscht mit Virtuosität die meisten modernen Techniken; ihm gegenüber stellt The Backer Art, Gallery-Ohio, aus. die Repräsentation Amerikas, die damit einen ihrer Besten schickte; nur drei Bilder sind hier ausgestellt, aber diese zeigen, in welcher Vollkommenheit die künstlerische Photographie ausgestaltet werden kann und wie auch ein weises Maßhalten in der Quantität den Erfolg sichert. A. Jonason - Goteburg mit schwedischen Volkstrachten; J. Schmidt-Stuttgart mit guten Porträts; Risch-Lau - Bregenz treten aus dieser Gruppe noch besonders hervor.
Die Landschaftsphotographie (Gruppe II) hat sich fast vollständig in Gruppe IV etabliert; was die Gruppe II noch bietet, das sind gute Aufnahmen landschaftlicher Süjets, aber doch ohne positiven künstlerischen Wert; man sieht all diesen Sachen zu sehr den Handelsartikel an, und das Bewußtsein, daß von solchen Landschaftsplatten unter Umständen im Tage ein halbes Dutzend Abdrücke gemacht werden, nimmt einem den Rest persönlicher Neigung für diese Bilder.
Auch die Gruppe III, Vergrößerungen, zeigt Massenphotographie, und zwar übermalte; es ist eine leider nur zu sehr eingerissene Geschmacksverirrung, wenn das Publikum eines gemalten Porträts wegen zum Photographen geht. Die vielen in dieser Gruppe III ausgestellten übermalten Photographien deuten darauf hin, daß sich die Photographie hier auf ein Gebiet gewagt hat, das ihr nicht zukommt.
* * *
Wir machen noch besonders darauf aufmerksam, daß täglich mittags von 2—4 Uhr im Röntgen-Kabinett Vorführungen der Röntgenstrahlen-Praxis stattfinden; auf besonderen Wunsch werden auch Röntgen- Aufnahmen hergestellt: die Vorführungen werden von der Firma Karl Schmidt, Fabrik chirurg. Instrumente etc. hier, geleitet.
Neues Tagblatt und General-Anzeiger für Stuttgart und Württemberg;
56. Jg., No. 223 – Zweites Blatt, Samstag 23. September 1899
II. - Die photographische Ausstellung in der Gewerbehalle.
Stuttgart, 19. September
Ueberall begiebt sich die Photographie unter malerische Gesetze, sucht fast ausschließlich nach malerischen Wirkungen, ja ihre technischen Bestrebungen drängen darauf hin, die Natur so nachbilden zu können, als sei es durch die Hand des Malers geschehen. Kunstphotographie ist die neue Bezeichnung, welche sie ihren Erzeugnissen gewählt hat."
So schreibt Ernst Hardt- Dresden im Vorwort des Erwin Rauppschen Katalogs zu dessen Sonder- Ausstellung in Gruppe IV und er fährt zur Erklärung dieser Kunstphotographie fort:
„Haben wir an der von keinen künstlerischen, wenn man will ästhetischen Gesetzen beherrschten genauen Wiedergabe einer Natur, in welche also alle planlose Zufälligkeit in Betonung und Nachbarlichkeit der mancherlei Wirkungen mit übernommen ist, irgend eine Freude oder einen Genuß? Nein, eine solche Wiedergabe wird uns im letzten Sinne einem Zerrbilde gleichkommen. Unser Auge an sich schon, ich meine das Auge eines Menschen unserer Kultur, sieht, wenn es ästhetische Befriedigung sucht, bildend und formend auf das Nebeneinander der Dinge und zieht gewissermaßen in eine Wirkungsharmonie Wirkungen zusammen, die in Wahrheit weit auseinander liegen. Dort hat auch der Künstler sein Reich. An ihm ist es, das Wesentliche einer Natur zu finden und ihr in seinem Werke zu einem wahrhaftigeren und verklärten Dasein zu verhelfen, das von der Zufälligkeit erlöst und in seiner ursprünglichen und tiefen Eigentümlichkeit erraten und offenbart ist. Die zwingende Gewalt und der Rhythmus, in dem dieses Erraten vor sich ging, wird uns die Größe und Wesensart des Künstlers und über jener Natur noch den Genuß seiner Seele geben."
Jn dieser Form eingeführt, werden wir die Arbeiten des Hofphotographen Erwin Raupp-Dresden, die die bedeutendste Erscheinung der ganzen Ausstellung bilden, leichter verstehen. Raupp wirkt in seinen Porträts
weniger stark nach, als in seinen landschaftlichen Motiven; seine landschaftlichen Ausschnitte, wie zum Beispiel das Bild Felsen am Meer, sein Sonnenuntergang sind geradezu von monumentaler Wirkung; Raupp offenbart sich darin als moderner Künstler mit eminent vertiefter Veranlagung für das Düstere, Ernste, das Symbolistisch-Unergründliche. Wie kein anderer hat Raupp in diesen Arbeiten die Frage gelöst, die der Verein gestellt, die Photographie von heute so auszugestalten, daß sie Wandschmuck darstellt. Die Technik Raupps ist in allen Bildern virtuos und unerreicht; den ein- und mehrfarbigen Gummidruck, das Kohle- verfahren, die reizenden Randverzierungsmalereien, die stimmungsvoll angepaßten Rahmenarbeiten, die von des Künstlers eigener Hand stammen, all das beherrscht Raupp ohne Schwierigkeit, als gewissermaßen unwesentliche Be- standteile seiner zu Werken gewordenen Ideen und Absichten. Raupp wurde denn auch mit der höchsten Auszeichnung des Vereines, dem Ehrenpreis mit Goldener Vereinsmedaille ausgezeichnet.
Nächst Raupp nimmt N. Puscheid - Leipzig in dieser Gruppe das meiste Interesse in Anspruch; er schickte nur Bilder, auch meist kleineren Formats, aber in den meisten zeigt sich schon ein gutes Können, ein Verstehen des Wesens der Kunstphotographie; es ist schon ein liebe- volles Eingehen auf die Frage nach der Kunstphotographie, sein Bild des Königs von Sachsen ist vielleicht die beste Porträtur, welche die Gruppe IV aufweist; der alte Herr ist so ungezwungen und wenig konventionell in einen großen Lehnstuhl gesetzt, wie es eben der Augenblick gegeben hat; die charakteristischen weichen Gesichtszüge sind gewahrt, nirgends eine aufdringliche Retouche. Auch in der Landschaft besteht Puscheid mit Ehren, sein Morgen und Abend sind allerliebste Wandbildchen, die jedem Salon zum Schmuck gereichen würden.
Der 1. Präsident B. Dittmar - München zeigt auf einer ganzen Längs-Wand sein Können; Dittmar verstand nicht in dem Maße, wie es die Vorgenannten gethan, sich von der Schablone zu emanzipieren; merkt
man auch in dem einen oder anderen Bild das gänzliche Abweichen von dem seither Ueblichen, so zeigt sich doch in der Gesamtheit dieser Ausstellung noch nicht das Durchringen zu der höheren Aufgabe des Kunstphotographen; Dittmar stellt auch noch zu viel aus.
Sehr interessant wirkt R. Dührkoop - Hamburg in Freilichtstudien; W. Hümmer - München mit landschaft- lichen Sachen in Doppeldruck; A. Gottheil - Danzig mit 4 Gummidrücken; Frey Söhne- Amberg mit stimmungsvollen auf Gummi gedruckten Landschaften.
Ueberblicken wir das Gesamtbild dieser Gruppe, so müssen wir das eifrige Streben aller Aussteller derselben rückhaltlos anerkennen. Daß kein Bild in dieser Gruppe sich vorfindet, welches nicht Interesse nach dieser oder jener Seite verdient, das ist wohl das besondere Verdienst der Ausstellungsleitung, die für die Aufnahme der Bilder in diese Gruppe eine besondere Aufnahme-Jury eingesetzt hatte. Auch auf die Rahmung der Bilder war besonders Bedacht genommen; dieselbe geschah in München.
Dem Süddeutschen Photographen-Verein als Veranstalter der Ausstellung gebührt aber gerade für
die Installation dieser Gruppe der besondere Dank aller derjenigen, denen daran gelegen ist, daß Kunstsinn und Kunstgeschmack in der Photographie gefördert, gepflegt und in weitere Kreise getragen werden.
Die Gruppe V zeigt nur 4 Bewerber, es galt in dieser Abteilung die Höchstleistung auf das Trockenplattenfabrikat der bayerischen Trockenplattenfabrik Frz. Piller zu er- reichen. Der Preis kam nach Landshut an Carl Dittmar; die Preise in Gruppen VI und VII wurden nicht vergeben. Für gute Leistungen auf Mimosapapiere wurden 2 Geldpreise ä 100 M nach London und Wiesbaden verteilt. Für vorzügliche Leistungen auf Dr. Kurz-Papier errang sich unser Stuttgarter Hans Hildenbrand den wertvollen Kurz-Ehrenpreis.
* * *
Gestern passierte der 5000. Besucher die Kontrolle. Die Vereine machen von der Preisvergünstigung eifrigsten Gebrauch; in den letzten Tagen reservierten sich Billette: der Verkehrsbeamten-Verein, der Krieger- und Sängerbund, der französische Sprachverein, die Janitscharia und der Xylographen-Verband. Der morgige Sonntag ist der vorletzte Sonntag, an dem die Ausstellung geöffnet sein wird; die Kapelle Brauer-Rapp konzertiert an diesem Tage von 11—1 Uhr in der Ausstellungshalle.
Neues Tagblatt und General-Anzeiger für Stuttgart und Württemberg;
56. Jg., No. 230 – Drittes Blatt, Montag 2. Oktober 1899
III. (Schluß) - Die photographische Ausstellung in der Gewerbehalle.
Stuttgart, 30. September
Nach Besprechung der die rein angewandte Photographie umfassenden Gruppen erübrigt es uns noch, eine Uebersicht über den Stand der Reproduktionstechniken zu geben. Hierbei ist es in erster Linie mit Freuden zu begrüßen, daß gerade Stuttgart die Gruppen der Reproduktionstechnik in hervorragendem Maße vertritt, und daß die Leistungen unserer Württembergischen Anstalten auch von dem Preisgericht rückhaltlos anerkannt und ausgezeichnet wurden. Unter den einschlägigen Anstalten ist vor allem die Firma Eberhard Schreiber in Stuttgart zu nennen, die mit einem sehr ausgedehnten und geschmackvollen Arrangement erschienen ist. Die Hauptthätigkeit dieser Anstalt bewegt sich auf dem Ge- biete der feineren Aetzungstechnik; in der Reproduktion von Farben-Clichés leistet sie gleichfalls ganz Hervorragen- des, und auch ihre Lichtdruck-Arbeiten sind von guter Technik und flotter Ausführung. Außerdem hat die Anstalt mehrere Arbeiten ausgestellt, die das besondere Interesse der Kenner erwecken; einmal eine Faksimile- Reproduktion nach einem Aquarell-Original und sodann mehrere Tonreproduktionen nach Maroldschen Arbeiten. Gerade die Farbwiedergabe der Aquarell-Reproduktion ist eine außerordentlich tüchtige und verständige Leistung, bei der in mehr als einem Punkte der Reproduktionstechniker dem Maler zu Gefallen gearbeitet und die bestehenden Härten in dem Originale durch feinere Tonabstufungen gemildert hat. Ein großes Jubiläumswerk, das die Anstalt für die Firma Heinr. Otto in Nürtingen in Licht- druck komponiert mit Buchdruck herstellte, zeugt von der Vielseitigkeit der Anstalt. Der Firma Eberhard Schreiber wurde daher für ihre schöne Ausstellung die höchste Auszeichnung, die zu vergeben war, zuerkannt.
Sehr würdig ist auch die Stuttgarter Firma A. Schüler vertreten, deren Hauptbedeutung in der Hervorbringung von Farbendrucken liegt. Hierin leistet sie in der That ganz Ausgezeichnetes.
Bayern ist mit seinen angesehensten Anstalten, den Firmen Dr. E. Albert u. Co., Kunstanstalt. München;
Oskar Consée, München; Franz Hanfstängel, München, und Meissenbach, Riffarth u. Co., München, am Platze. Während Albert u. Co. Ihre Leistungen auf ganz beschränktem Raum zeigen, entfaltet sich Oskar Consée schon weiter. Namentlich interessiert von dieser Firma eine Erfindung der Letztzeit; dies sind Reproduktionen nach Teppichen, sogenannte Velour-Drucke die in ganz hervorragender Naturtreue die Farbenlaqe und den Reichtum der Farbenskalen an solchen Teppichen wiedergeben. Die Firma Meissenbach, Riffarth u. Co., erfreut die Kenner klassischer Bildwerke durch ihre Wiederholung der Rembrandt-Ausstellung in Antwerpen; ihre Auslage umfaßt 40 Reproduktionen Rembrandtscher Werke, welche ein geradezu glänzendes Zeugnis von der Leistungsfähigkeit des Hauses ablegen. Die Firma Angerer und Göschl in Wien zeigt sich sehr bescheiden. Ihre Ausstellungs-Objekte sind eigentlich nur für tüchtige Kenner der graphischen Kunst bestimmt. August Krämer in Stuttgart hat gegen die vor- genannten Firmen eine ziemlich schwierige Stellung; es scheintauch, daß hier nicht mit der nötigen Sorgfalt die Ausstellungs-Objekte gewählt wurden.
In der Gruppe XI, Lichtdruckverfahren, ragt abermals eine Stuttgarter Firma besonders hervor, nämlich die Hofkunstanstalt von Martin Rommel u. Co., welche in verständnisvoller Technik und vollendet sauberer Ausführung farbige Lichtdrucke von hoher Qualität zeigt. Dieser Firma ist denn auch seit Jahren die Anfertigung der Kunstbeilagen für das offizielle Organ des Vereins, die Allgemeine Photographen-Zeitung in München, übertragen, und sie hat auch dieser Tage wieder die Reproduktion einer ganzen Anzahl Originale, die eine Zierde der Ausstellung bilden, zur Ausführung erhalten.
Die Gruppe XII, Uebertragungsverfahren, interessiert eigentlich nur durch die Auslagen der Firma Brunner und Ploetz - München, welche als Spezialität die Anfertigung photokeramischer Erzeugnisse betreibt und sich, wie wir hören, neuerdings der Elfenbein-Miniaturmalerei mit besonderem Erfolg zugewandt hat.
Wir beschließen damit die Besprechung über die photographischen Gruppen der Ausstellung und streifen in der Abteilung Industrie nur noch kurz die Stuttgarter und die sonstigen württembergischen Firmen, welche sich an dieser Gruppe beteiligt haben.
In der Ausstellung photographischer Cameras, die auf der Galerie plaziert ist, finden wir eine junge Stuttgarter Firma, die schon Außerordentliches in der Herstellung feinerer Reproduktions- und Atelier-Apparate hervorgebracht hat, nämlich M. Körner. Auch Paul Spindler - Stuttgart, dessen Ausstellung sich etwa in der Mitte dieser Abteilung befindet, zeigt verschiedene Modelle eigener Erfindung. Sehr repräsentabel tritt die Firma Gust. Schäuffelensche Papierfabrik in Heilbronn auf. Ihr Pyramiden-Kornpapier, das ja in allen technischen und künstlerischen Kreisen sich großer Beliebtheit erfreut, präpariert die Fabrik auch mit photographischer Schicht, indem sie das Papier noch bedeutend vervollkommnete. Getrennt von dieser Ausstellung begegnen wir der Schäuffelenschen Papierfabrik nochmals in einer Ausstellung auf der Galerie, zwischen den Auslagen der Fabriken photographischer Trockenplatten, wo sie ihr Negativ-Papier ausstellt. Dieses Negativ-Papier wird als ein sehr vorteilhafter und praktischer Ersatz für photographische Trockenplatten bezeichnet.
Eine Ausstellung, die von großem Fleiß und hervor- ragendem Geschmack zeugt, ist die der Firma Paul Teufel-Stuttgart, die sich an der Gruppe XIX, Sonderausstellung von photographischen Atelier-Ausstattungen, mit einer Art Muster-Atelier beteiligt. Wir finden hier eine Atelier-Ausstattung, wie sie nicht bester komponiert und eingerichtet werden kann. Die Firma hat denn auch ihr großes Bemühen, in dieser Gruppe Hervorragendes zu leisten, durch außerordentlichen Verkauf, den sie nach dem Auslande erzielte, gelohnt gesehen.
Inmitten der Industrie treffen wir auf eine sehr aparte Ausstellung der Firma I. Hauff u. Co. In Feuerbach. Wir sehen hier die verschiedensten Entwickler und Chemikalien für Photographie, wie sie von dieser Firma erfunden und in den Handel gebracht wurden. Eine bedeutungsvolle Ehrung wurde der Firma durch Verleihung der Ehren-Urkunde zu der Goldenen Vereinsmedaille zu teil; diese Auszeichnung war nur für solche Betriebe vorgesehen, die sich mit ganz hervorragenden Neuheiten und Erfindungen an der Ausstellung beteiligten.
Eigentlich außerhalb des Raumes einer photographischen Ausstellung bringt Alfred Bühler-Stuttgart seine Fabrikate in hochfeinen Ledermöbeln, doch hat sich erwiesen, daß diese Ausstellung, zumal für Besitzer feinerer Ateliers, einen außerordentlichen Anziehungspunkt bot. Auch diese Firma beendet die Ausstellung mit großen geschäftlichen Abschlüssen. Die Ausstellung der Firma Ludwig Schaller- Stuttgart bot für das Amateur-Publikum eine ganze Reihe der interessantesten Neuheiten; ebenso zeigt auch die Firma G. A. Kraus - Stuttgart, daß sie in ihren Leistungen auf der Höhe der Zeit steht. Zum Schluffe noch ein Wort über die Bedeutung der Ausstellung. Wie sich gezeigt hat, hat dieselbe weit über Süddeutschland hinaus Anerkennung und Bewunderung gefunden. Während der Festtage vom 12. bis 14. September waren mehr als 300 Photographen hier; aber auch bis zu den letzten Besuchstagen hat das Interesse sich in Fachkreisen wach erhalten, und täglich wird die Ausstellung außer von unserem Stuttgarter Publikum von einer ganz namhaften Anzahl auswärtiger und ausländischer Photographen besucht. Auch das finanzielle Ergebnis soll, wie wir hören, ein günstiges sein.
Die meisten Verdienste um das gesamte Ausstellungsunternehmen erwarben sich die beiden Präsidenten des Vereins. Herr B. Dittmar, Königl. Hofphotograph, München, und Herr Oskar Consée, Königl. Hofkunstanstalt, München. Die Herausgabe des sehr reichhaltig ausgestatteten Programmbuchs und des offiziellen Katalogs besorgte der Sekretär des Vereins, Redakteur G. H. Emmerich- München, der seit 5 Jahren die Geschäfte des Vereins führt, und dem anbetrachts seiner Verdienste um das Zustandekommen der Ausstellung, und in Anerkennung seiner Verdienste um die deutsche Photographenwelt gelegentlich der Generalversammlung des Vereins am 13. September unter gleichzeitiger Zuerkennung der Goldenen Vereinsmedaille, die Ehren-Mitgliedschaft des Vereins verliehen wurde. Außerdem entfaltete eine außerordentliche Tüchtigkeit das hiesige Ortskomite, unter Leitung des Herrn Gustav Dreher. Wie verlautet, soll in Anbetracht des Erfolges der Ausstellung in den Kreisen des Süddeutschen Photographen-Vereins die Absicht bestehen, eine der nächsten Veranstaltungen des Vereins abermals in Stuttgart abzuhalte.
* * *
Am gestrigen Sonntag haben ca. 3600 Personen die Ausstellung besichtigt; namentlich wurde von den zu ermäßigtem Preise an Vereine ausgegebenen Eintrittskarten fleißig Gebrauch gemacht. Die Ausstellung wird unwiderruflich am Donnerstag den 5. Oktober abends 6 Uhr geschlossen; eine Auswahl der besten Bilder geht u. a. sofort nach Moskau, von wo die „Russische Photographische Gesellschaft" dieser Tage einen Delegierten zur Auswahl der Kollektion hieher gesandt hatte.
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See as well
Film und Foto
Internationale Ausstellung des Deutschen Werkbunds
Stuttgart 1929
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