Gallery | Galerie Carroll

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Karlheinz Bauer
 - Collagen

 

ZUM WESEN DER COLLAGE

Unter Collage versteht man eine bildnerische Einheit, welche aus bereits anderswo vorgefundenen Teilstücken zusammengesetzt ist. Dies muss natürlich so geschehen, dass ein optisches Ganzes entsteht. Die aneinandergesetzten Gegenstände müssen in ihrer nun entstandenen Kombination eine sinnvolle oder paradoxale Verbindung eingehen. Natürlich ist es mit einem derartig gegenständlichen Bezug nicht allein getan. Die Formen und Strukturen als solche müssen so kombiniert sein, dass sie in uns positive Spannungen auslösen Denn es wird hier eine Welt getürmt welche sich keinesfalls mit der uns sonst umgebenden decken soll. Eine möglich e, aber nur in der Phantasie oder unseren Träumen realisierbare Welt ist gemeint.
Hierbei können sogar gewisse Nähte zwischen den Bildteilen stehen bleiben. Denn deren Einheit soll nur eine indirekte sein, eher eine kunstvoll erzwungene. Der nur realistisch eingestellte Betrachter wird hierin ein Manko sehen wollen Aber pluralistische Kulturphasen empfinden das Leben weitgehend in diesem Sinne. Man darf also nicht sagen, die Collage-Leute machen es sich nur leicht. Ein Hieronymus Bosch, ein Pieter Brueghel, ein Arcimboldi haben ihre Graphiken und Malereien von Anfang bis Ende mit der Hand durchgeführt, trotzdem aber bewusst erstrebt, den Bildern etwas parzellenhaftes zu geben, womit sie ausdrücken wollten, dass unser Dasein nicht nur einheitlich und harmonisch verläuft, sondern auch Risse und Brüche aufweist. Es gibt einen Standpunkt, und er ist heute wieder aktuell, nach welchem man etwa sagen könnte, jede Ehe, Stadtgemeinde, Nation, ja die Menschheit als Ganzes beruht auf zusammengesetztem Stückwerk.
Man glaube nicht, dass die gute Collage etwas Simples sei oder die Individualität des Künstlers nicht zum Ausdruck bringen könne. Würde man eine umfassende Auswahl interessanter Stichfragmente ausschütten und nun verschiedene Künstler bitten, diese zu einer höheren Einheit zusammenzubauen, so würde sich zeigen, dass dies jeder auf eine andere Art unternimmt Man kann sich hierbei sogar der Mosaizisten erinnern, die aus viel weniger unterschiedlichen, farbigen Steinen z B. ihre frühmittelalterlichen Szenen schufen.
Die Collage hat sich hauptsächlich im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelt. Die Kubisten setzten als Erste gedruckte Fertigteile in ihre Zeichnungen oder Malereien ein, besonders gerne Zeitungsfetzen. Sie wollten ihre manuelle Arbeit durch mechanische Strukturen "stören" oder vielmehr durch Kontrastspannungen steigern. Aber es gab auch eine politische Verwendung: G. Grosz schrieb mir 1928, er habe schon 1915 mit Heartfield derartiges gemacht. Da dieser dauernd in einem alten blauen Arbeitsanzug herumgelaufen sei, hätten sie diese Arbeiten "Montagen" genannt. Anders wieder gingen die Dadaisten vor (Schwitters). Sie kombinierten nicht nur graphische Fertigteile, sondern Materialien wie Holz, Drähte, Knöpfe, Münzen, Fahrscheine, Zahnrädchen, womit sie außer den Struktur- auch urtümliche Substanzkontraste stiften wollten, wie dies auch an "primitiven" Fetischen beobachtet werden kann Hierbei wurde das Ganze bisweilen durch vermittelnde Bemalung zusammengestimmt. Die surrealistische Collage, wie sie vor allem dann Max Ernst verwirklichte, bezog sich dagegen auf Graphikteile, auf Holzstiche des 19. Jahrhunderts, welche als solche langweilig gewesen wären, durch ihre neuen Kombinierungen aber Hintergründigkeit erhielten. Es entwickelte sich aber auch eine ungegenständliche Papiercollage mit gerissenen Fetzen verschiedener Farbe, die so ineinander gepasst wurden, dass der abstrakten Malerei verwandte Gebilde entstanden.
Will man neben der ungegenständlichen Kunst die inhaltlichen Äußerungen wieder mehr hervorkehren, die sich mit den Dingen dieser Welt befassen, so ist gerade die gegenstandsscharfe Collage eine Hauptmöglichkeit, denn sie befriedigt beides zugleich: die freie Phantasie und den konkreten Gegenstandshunger. Auch hier kann man rein graphisch verfahren oder diesen Vorgang mit Malerei verbinden.
FRANZ ROH

 

KALRHEINZ BAUERS COLLAGEN

Zu diesem Typus gehören die Collagen von Karlheinz Bauer. Sie zeichnen sich durch eine beinah klassizistische Anordnung aus, also durch eine hieratische Strenge des Aufbaus. Sie sind ausgesprochen schön und erschreckend zugleich, seltsam klar und dennoch geheimnisvoll. Ihr surrealistischer Charakter drückt sich schon in den Unterschriften aus. Da finden wir eine "Wendeltreppe der unerfüllten Hoffnungen", "verschlossene Küsse", ein "Ex Voto des Ausgemusterten", ein "Observatorium des Chirurgen", "Mimen-Memorials", die „Radarstation der Bienenkönigin" und den "Poeten-Pavillon". Bauer setzt Gliederfragmente, schwebende Steintreppen, Gerippe, schön geglättete Frauenleiber, Mikroskopteile, isolierte Hände, klaffende Münder, seltsame Architekturen, schwebende Vogelkrallen und Maschinerien meistens vor einen hellen oder dunkelnden Himmelsgrund mit niederem Horizont, so dass die Kombinationen sich vor der stillen Unendlichkeit entfalten. Sauber und präzis, ja mit absurder Eleganz bilden sich da die seltsamsten Traum-Embleme.
Karlheinz Bauer lebt in der oberen Seelgasse Bambergs, der Stadt von E. T. A. Hoffmann. Seine Wohnung im Bamberger Hügelland steckt voll surrealer Erinnerungen. Der 1925 geborene arbeitete schon als Zehnjähriger mit dem Zeichenstift. Seine frühesten Versuche waren Porträtskizzen, hauptsächlich aber Karikaturen, in denen sich seine Phantasie schon leise ankündigt Als Sechzehnjähriger konnte er in Bayreuth ausstellen, als Kriegsgefangener durfte er sich als Bühnenbildner für ein Lagertheater betätigen. Nach dem Kriege traf man sich in der Bamberger "Künstler-Union". Ein Studium an der Nürnberger Akademie musste wegen der Währungsreform beendigt werden.
Seit Jahren zeigte er dann Arbeiten in der Bamberger Residenz und in anderen fränkischen Städten als Mitglied der "Bamberger Neuen Gruppe" und des fränkischen Berufsverbandes. 1963 tauchte er zum ersten Male in der "Großen Münchner" auf.
Für seine Collagen ist wichtig, dass er – eine ausgesprochene Sammlernatur, er sammelt Ansichten und Bücher der fränkischen Schweiz, des Steigerwaldes und des Fichtelgebirges – viele Antiquariate in Deutschland nach alten Zeitschriften, Drucken und Stichen, Handzeichnungen abgrast, gelegentlich aber auch bei den Pariser Bouquinisten stöbert. Das könnte natürlich jeder Mensch mit Geschmack und etwas Phantasie unternehmen. Er aber besitzt die Fähigkeit, dies alles sinnvoll als Bausteine für seine surrealen Gebilde einzusetzen und damit jenen verschollenen Graphiken, die er für seine Zwecke zerlegt und immer wieder probierend aneinanderhält, schließlich eine gänzlich neue Gestalt zu verleihen.
Hier hat er die ihm auf den Leib geschriebenen Formungsweise gefunden. Was er zuvor als Zeichner und Maler gelernt hatte, kommt ihm zu statten, denn die meisten seiner Arbeiten ruhen auch auf koloristischem Reiz.
Neuerdings realisierte er mit hintergründigem Humor 14 Collagen zu Christliebs "Luitwinda – ein Märchen aus unseren Tagen". Hier war er darauf angewiesen, in einem surrealen Sinn zu illustrieren, d. h. die im Text vorkommenden Motive und Gegenstände wiederkehren zu lassen. Im allgemeinen ist es aber auch für Karlheinz Bauer wichtig, dass der Monteur durch keine bereits gegebene Vorstellung gebunden wird, die eigene Phantasie vielmehr erst durch das hintergründige Spiel während des Arbeitsprozesses erzeugt wird.
FRANZ ROH

Source: Karlheinz Bauer, Collagen; Exhibition Catalog Galerie Carroll, München, 01.-31.03.1965.
 

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