Artist | Judith Baum (*1960)

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Artist Portfolio Catalogue Overview \ 7

    • Judith Baum

      "This Other Being - Oder: Worüber Männer untereinander nicht reden"1999
    • Judith Baum

      P. Striding - Phase II1996
    • Judith Baum

      P. Striding - Phase V1996
    • Judith Baum

      P. Striding - Phase IV1996
    • Judith Baum

      E.A. Joanc, 19591996
    • Judith Baum

      M. Motion - Phase III1996
    • Judith Baum

      M. Motion - Phase I1996

Biography

Biography

1960 born in Steyr / Upper Austria
1985 degree in German studies and history, University of Vienna
1986 training at the authors assembly of Graz, Vienna
1995 degree in painting, Academy of Fine Arts, Vienna
1997/98 educational stay / lecturing, N.Y.C.

Solo Exhibitions (selection)

Solo Exhibitions (selection)

1992 Alpha, Vienna
1993 House of literature, Vienna (catalogue)
1995 Institute of Contemporary Art, Academy of Fine Arts, Vienna
1999 Kunsthalle Wien

Group Exhibitions (selection)

Group Exhibitions (selection)

1989 House of Industry, Vienna
1990 Minoriten Galleries, Graz (catalogue)
1992 Gallery of the city of Lienz Galery Medio, Upper Austria
1993 "crack in the mirror", Academy of Fine Arts, Vienna (catalogue)

About the work (english / deutsch)

About the work (english / deutsch)

THIS OTHER BEING - Oder: Worüber Männer untereinander nicht reden
Ausstellung Kunsthalle Wien 26.11. - 05.12.1999

«Wie wurde dir klar, daß dein Vater ein sexuelles Wesen ist?», «Was ist deine faszinierendste erotische Phantasie?» - Beispiele aus zehn fast nie direkt gestellten Fragen, die die österreichische Künstlerin Judith Baum 1998/99 an hundert Männer aus der New Yorker Kunstszene richtete. Fragen zum Bezug der Männer zu ihrer Sexualität; ein Thema, über das Männer gemein hin nicht untereinander reden und auch nur sehr selten mit ihnen nahe-stehenden Frauen besprechen. In ihrem Kunstprojekt, das sie in umfrageähnlichen Interviews anlegte, gelang es der Künstlerin allerdings, dieses Bild zu ändern.
Die Kunsthalle Wien zeigt in einer Installation von zehn Monitoren die tausend Antworten, die auf Video aufgenommen wurden. Zu den Befragten zählen Persönlichkeiten wie Brooks Adams, Dan Cameron, Joshua Decter, Matthias Herrmann, Sean Landers, Jaron Lanier, Fabian Marcaccio, Paul McCarthy, Mike Kelley, Dennis Oppenheim, David Ross und Andres Serrano.

Anläßlich der Ausstellung erscheint im Triton-Verlag ein Buch gleichen Titels mit Beiträgen von Marie-Luise Angerer, Judith Baum, Wolfgang Fetz, Lucas Gehrmann / Gerald Matt, Peter Gorsen und Thomas Mießgang.


Moment, Malerei
Vor den neuesten Arbeiten der Malerin Judith Baum stehend, befinde ich mich, sofern ich mich nicht ausschließlich auf ihren Inhalt einlasse, inmitten einer aktuellen und zugleich traditionellen Kunstdiskussion. Die Beiträge dazu, gesprochene wie künstlerisch gearbeitete, behandeln das Thema "Bild und Wirklichkeit" im allgemeinen und "Malerei und Photographie" im spezielleren. Gelangweilt über diese trockene Einleitung verlassen einige schon ältere Teilnehmer wie Apelles, Brunelleschi und AD die Gesprächsrunde, während zwischen Frans Hals, Daguerre und Muybridge ein heftiger Disput ausbricht, in den sich auch zwei Futuristen, die sich am Vortag in Picassos Atelier umgesehen hatten, einschalten. Während die beiden Photographen konstatieren, daß die sichtbare Welt objektiver nicht wiedergegeben werden könne als mit ihren Aufzeichnungsmethoden, behaupten die Maler, daß Wirklichkeit sich nicht auf die sichtbare Oberfläche der Dinge beschränke und der Apparat der Lichtzeichner nicht mehr als nur eine Krücke sei im Dienste der Malerei. Gertrud Koch zeigt gleichzeitig auf ein Bild von Gerhard Richter und meint dazu, daß Photographie mittlerweile ein Glied einer unendlichen semiotischen Kette kultureller Zeichen geworden sei, und Maler, die nach der Natur zu malen pflegten, jetzt nach Photographien malen. Schließlich stehen ein paar Medientheoretiker auf und sagen, das ganze Bild-Gerede habe schon längst keine Bewandtnis mehr, da wir ja wüßten, daß sich unsere Empfindung von Realität in unseren Nervensystemen und in permanenter Interaktion mit Informationen außerhalb derselben konstituieren und daß somit das bildhafte Wiedergeben von Realität längst keine Aufgabe aktueller Kunst mehr sein könne. Dessen ungeachtet setzt sich die Diskussion fort und ich verlasse das visuelle Forum, um durch die Stadt zu flanieren. Hier begegnen mir auf Plakatwänden, in Schaufenstern, auf Leuchttafeln, Reklameschildern, in Galerien und auf dem Straßenpflaster Bilder aller Art, die meisten davon verwischen sich mit dem Stadtbildfilm meiner Augen und landen irgendwo versteckt in meinem organischen Speicher. Ich gehe weiter durch einen langen Kellergang im Untergeschoß des ehemaligen K.u.k. Kriegsministeriums, öffne eine der kafkaesken Archivtüren, von denen mir Judith Baum erzählt hat, und gelange wieder zurück in ihr Atelier. Dort steht der Kellergang mit seinen Röhren und roten Feuerlöschern noch an der Wand, die Malerin hatte ihn vor einiger Zeit durchstreift und mit einer Kleinbildkamera flüchtig aufgenommen; Eindrücke festgehalten, die sich nicht wirklich eindrücken konnten, sondern verwischt-verwackelte Vorlagen lieferten für ein gemaltes Bild, das ausschnitthaft Bildausschnitte dieser Kellerbilder zeigt. In ihnen geht mir wie im Film eine gesichterlose Frau entgegen, ohne weiterzukommen. Auf der Bildfläche verwandelt sie sich in eine scheinbar zufällig rhythmische Folge von Farbflecken, so wie die roten Feuerlöscher oder der perspektivische Sog der Röhren der Kellergangdecke zu Farbflecken werden, die sich zu einem Bild zusammensetzen. In der Folge reden wir über Malerei und kaum noch über das Verhältnis von Bild und Wirklichkeit.
Text von Lucas Gehrmann, Kunsthalle Wien, Kurator

Moment, Painting
When standing in front of the latest pieces of work by the painter Judith Baum, I find myself, provided that I engage not only in their content, in the midst of a current and at the same time traditional discourse on art: its contributions, words as well as pieces of art, deal with the topic "Picture and Reality" in general and "Painting and Photography" more specifically. Bored with this dull introduction some of the older participants like Apelles, Brunelleschi and AD leave the discussion group, Frans Hals, Daguerre and Muybridge start a heated dispute which two futurists join into having looked around Picasso's studio the day before. Whereas the two photographers state that the visible world cannot be reproduced more objectively than by their methods of depiction, the painters claim that reality is not confined to the visible surface of objects and that the apparatus of those who draw with light merely serves as a support to painting. Simultaneously Gertrud Koch points at a picture by Gerhard Richter and asserts that by now photography has become part of an endless semiotic chain of cultural signs and that painters who used to paint according to nature now use photographies. Finally, some media-theorists rise and refute the relevance of all this talk about the picture, because, after all, we know that our perception of reality is constituted in our nervous systems and in constant interaction with outside information, and thereby the figurative representation of reality no longer can be a function of contemporary art. In spite of all this, the discussion continues and I abandon the virtual forum in order to stroll through town. On my way I see a variety of pictures on bill boards, in shop windows, on fluorescent boards, on advertisement signs, in galleries and on the pavement. Most of the pictures merge with the film of urban scenario passing my eyes and end up in some hidden part of my organic depository. I continue my walk through a long passage in the cellar of the former Austro-Hungarian Ministry of War, open one of the kafkaesque doors of the archives, which Judith Baum had mentioned to me, and finally return to her studio. There the cellar passage with its pipes and fire extinguishers is leaning against the wall. Some time ago the painter had wandered through the passage and made some quick shots with a small-picture camera. She had caught impressions that could not really be compressed, but offered a model, which was blurred and distorted by the movement of the camera, for a painting that fragmentarily shows fragments of these pictures of the cellar. In these paintings a faceless woman is approaching me, like in a movie, without getting any closer. On the surface of the paintings she transforms into a seemingly coincidental rhythmical sequence of colour spots, like the red fire extinguishers or the perspective suction of the pipes on the ceiling of the cellar turn into colour spots that constitute a painting.
Subsequently, we are talking about painting and no longer about the relation of picture and reality.
Text by Lucas Gehrmann, Kunsthalle Wien, Curator

Heiz-Körper
"fleisch ist emst, der emst funktion. funktion ist fleischlich. intellektuelle redlichkeit ist als ernst des Lebens also fleischliche funktion."
WERNER SCHWAB: Abfall, Bergland, Cäsar

"ich war davon überzeugt, in meinem Körper gäbe es so etwas wie einen Blutstau, ich wurde rotbackig, und unversehens legten die Kunden mir gegenüber ein bäurisches Benehmen an den Tag. In dieser Zeit war ich gerade eine Sau mit allem Drum und Dran.'
MARIE DARRIEUSSECQ: Schweinerei

In Judith Baum's Bildern wütet die Wärme in den Körpern. Sie hat ihnen die schwarze, rote, heiße, rastlose Lava in die Muskeln gezwungen. Sie treibt die Glieder der Gesellschaft. Alle festliche Ordnung gerät durcheinander. Die Wärme macht Dampf. Die Dinge müssen vorwärts, schneller, flüssiger und es ist ein schreckliches, merkwürdiges Schauspiel und sein Name ist: Leben.

Die Wärme ist das soziale Prinzip der Gemeinschaft und ihre Richtung ist gegen die Menschen. Die Wärme ist die Repräsentanz der Bewegung und ihre Richtung ist gegen die Körper. Denn, obwohl aus dem Körper entstehend, wendet sie sich gegen die Körper, macht das Feste flüssig, das Flüssige gasförmig und zeigt in Gestalt der Flamme ihr wahres Gesicht: die Zerstörung.

In Judith Baum's Bildern geraten wir, scheint es, in ein unbegrenztes Fließen, und es sieht aus, als wäre die Welt der Menschen Kraftansammlung, Blutstau und Ausgabe von Kraft und Gerinnung und wieder Bewegung. Wie die Wärme fließt, fließen auch die Körper, fließt auch die Kultur. Wir sind veränderbar. Unter anderen oder unter diesen oder unter veränderten Umständen wurde und wird aus mir ein Schwein und dann wieder ein Mensch und: "ich wälzte mich in meinem Geruch, damit ich Gesellschaft hatte" (DARRIEUSSECQ).

Daß nichts bleibt wie es ist, daß nichts wirklich ist, was stillständig vernünftig scheint, gehört zur Wahrheit der zeitlichen Welt. Und gut gehört dahin die Wärme, die Kraft der Körper, der unermüdlichen Veränderung, ja der Auflösung. Auflösung ist das Wort der zeitlichen Welt. Nur vorübergehende Etappen sind die Ansammlungen, Anspannungen - die Formen, Gestalten, Körper.

In Judith Baum's Bildern ist Körper"fleischlichefunktion" (SCHWAB) in den Koordinaten Raum und Zeit. Dem Raum sein Biologisches entspricht der Zeit ihr Historisches. Biologie und Historie folgen "weit entfernt von jeder Auflösung des Körpers nicht wie im Evolutionismus der alten Soziologie aufeinander, sondern verschränken sich in einer Komplexität, die in gleichem Maße wächst, wie sich die modernen Lebens-Macht-Technologien entwickeln", schreibt MICHEL FOUCAULT.

Diese binden jeden Körper an die Macht-Dispositive der Politik der Gesellschaft. Jede Politik in Bezug auf den Körper ist klare Sitte, ist Bio-Gewalt und Heimatsport. Alle Politik der Moderne schaltet sich an den Körper ob seiner Funktionalisierbarkeit, ob seiner Verletzbarkeit, ob seiner Fremdheit. "Politische Ökonomie des Körpers" (FOUCAULT) heißt, daß die polis - der Ort der Demokratie - auch der Ort ist, an dem die Menschen zur Einheit verschmelzen. Von dieser Einheit, dem Volk, geht Recht aus.

In Judith Baum's Bildern wird Befreiung deutlich. Sie zeigt, wie die Einheit der Schönheit, des Empfindens, des Rechts sich gegen Mehrheiten und Minderheiten richten kann. Die Körperlichkeit er Frauen richtet sich wieder und wieder gegen die Frauen. Ihr Schoß wird ihr zum Los gemacht. Von Maria bis Maria. Diese Unterdrückung führt zur "Zerwicklung" mit sich selbst. Der Schulterschluß zwischen dem patriarchalischen Herd- und dem Körper-Kult - Komplott definiert noch und schon wieder und lifeball-neu ein Physiologieverständnis, aus dem sich Ehre und Schande, Rechte und Unterdrückung, Wärme und Kälte ableiten.

Judith Baum's Thema ist die Kompromittierung des Komplotts und die Neuerfindung des von der Frau selbst angewiderten und abgelehnten Körperlichen der Frau. Emanzipation durch Zerschneidung der Reiz-Körper, so schien es, war die Logik des Aufstands. Judith Baum's Metapher der Befreiung ist aber auch der Anti-Schoß, das freche Heck, der Kälte-Po, die "Entändernis". "Entändernis" - die Dekonstruktion des Weiblichen begriffen und gemalt als Wiederaufbau durch Wärme, Ästhetik und Sport. Judith Baum bäumt sich auf für das Recht auf den eigenen Körper. Leben und Leben lassen ist Judith Baum's Thema und so manchem kostet dies den Kopf.
Text von Boris Marte, Kulturamt der Stadt Wien

Heating Element
In Judith Baum's pictures heat is raging in the bodies. She has forced the black, red, hot, restless lava into the muscles. All ceremonial order goes undone. It unleashes all forces of society. Heat creates steam. Things have to move forward, faster, more fluid and it is a terrible, strange spectacle and its name is: life.

Heat is the social principle of community and it is directed against the human being. Heat is the representation of movement and is directed against the human body. For although it originates from the body, it turns against the body, makes the solid liquid and the liquid gaseous and in the form of the flame it shows its true face: the destruction. In Judith Baum's pictures we are in a seemingly infinite flow, and it appears as if the human world consists of collecting strength and blood and emitting strength and liquid, and once again movement. Just as heat flows, so also bodies flow, so also culture flows. We are changeable. Depending on circumstances I would have become or would be a pig and then again become a human being and: "I wallowed in my smell so that I had company" (DARRIEUSSECQ).

That nothing remains as it is, that nothing really is what standing still appears to be reasonable, is one of the truths of the temporal world. And thereto also belongs the heat, the strength of bodies, of untiring changes, yes, of disintegration. Disintegration is a word of the temporal world. Only passing stages are the accumulations, tensions - the forms, shapes, bodies.

In Judith Baum's pictures the body is "carnal function" (SCHWAB) in the coordinates of space and time. Biology within space corresponds to history within time. Biology and history follow "each other far apart from any disintegration of the body not as in the evolutionism of the old sociology, but embrace each other in a complexity which grows to the same extent as modern life-power-technologies develop" writes MICHEL FOUCAULT.

These technologies commit all bodies to power structures in the politics of society. All politics in relation to the body is clear morals, bio-violence and national sport. All politics of modernity connects to the body whether to its functionality or its vulnerability or to its unknown properties. "Political economy of the body" (FOUCAULT) means that the polis - the place of democracy is also the place at which human beings unite. From this unity of the people all law proceeds.

In Judith Baum's pictures liberation becomes evident. She shows how the unity of beauty, of feeling, and of law is directed against majorities and minorities. The physicality of women is repeatedly directed against the women. Her womb becomes her fate. From Mary to Mary. This oppression leads to a disintegration of the self. This alliance of patriarchal hearth and the body cult conspiracy still defines and continues to define our understanding of physiology from which our sense of honour and shame, law and oppression, heat and cold are derived.

Judith Baum's theme is the exposing of the conspiracy and a reinvention of the female physicality with which woman herself is disgusted and which woman herself rejects. Emancipation by cutting up the body of attraction, this seems to have been the logics of rebellion. Judith Baum's metaphor of liberation is also the anti-womb, the cheeky rear, a cold ass as deconstruction of the female, understood and painted as reconstruction by heat, esthetics and sport. Judith Baum makes a tremendous effort to claim her right to a body of her own. To live and let live is Judith Baum's theme and in this process it costs so many their head.
Text by Boris Marte, Cultural office of the city of Vienna

Todesbilder
Kann man das Sterben illustrieren? Blickt man sich in der zeitgenössischen Bilderwelt um, scheint nichts attraktiver zu sein als die Darstellung der meist gewaltsamen Beendigung menschlichen Lebens. Ein Bild aus Afghanistan kommt mir dabei in den Sinn. Die Körper des ehemaligen Machthabers Mohammed Najibullah und seines Bruders baumeln an Stricken. Der eine arg zugerichtet, die zerrissenen Kleider mit Blut getränkt, der andere äußerlich unversehrt. Dahinter sitzen die Mörder in einer gemütlichen Runde, als hätten sie sich nach einem schweren Tagwerk zur Rast niedergelassen. Sie rauchen Pfeife, unterhalten sich, zufrieden mit sich und der Weit. Dieses Bild, das vermutlich nur deshalb nicht in Großformat als Benetton-Werbung wiederkehrte, weil es in der Weltpresse zu häufig publiziert wurde, sagt viel über die Lebenden im Hintergrund, über ihr lustvolles Handwerk, das Töten, aber es bleibt merkwürdig stumm, wie betäubt, in seinem Zentrum.
Von der augenblickshaften Abbildung eines wie auch immer zu Tode gebrachten Körpers her läßt sich das Sterben, das ein Vorgang ist, nicht ergründen. Leichen sind Massenware, das Sterben ist individuell. Leichen wirken wie unveränderbare Zustände. Das Bild eines eben verstorbenen Menschen sagt kaum mehr als das einer verwesten Leiche. Beide scheinen das, was Sterben bedeutet, eher zu verdecken als zu erhellen. Um das Sterben zu illustrieren, kommt das Bild des Körpers entweder zu früh oder zu spät.

Im Jahre 1995 machte sich Judith Baum daran, das Cover für die Taschenbuchausgabe meiner Novelle Der Tod des Kleinhäuslers Ignaz Hajek zu gestalten. Die Geschichte handelt von einem Mann, der sich erhängt. Was würde ich vom Coverbild zu erwarten haben? Eine Leiche? Ein Grab? Etwas undefinierbar Düsteres? Selbst nicht die geringste Idee im Kopf, wie eine solche Aufgabe zu bewältigen wäre, fuhr ich ins Atelier. Dort hing nicht ein Bild, dort hingen 18 Bilder. Und es war auf den ersten Blick klar, daß sie zusammengehörten. Nicht, daß sie alle dasselbe darstellten, aber sie verwendeten die gleichen Elemente, die gleichen Farben, die gleiche Technik. Nichts war eindeutig erkennbar, doch alles schien Erinnerungen wachzurufen. Die Leiche war nirgends abgebildet und war dennoch in den Bildern vorhanden, als Schatten, oder verborgen hinter Verbandsmull, als würde sie für eine Einbalsamierung zurechtgemacht. Die Todespräsenz will in diesen Bildern nicht der vertrauten Darstellung einer Leiche aufgelastet ein. Im Gegenteil, die Bilder versuchen, der Leiche, die doch unleugbar die materielle Dimension des Sterbens verkörpert, in einem Umfeld von Insignien der Hinfälligkeit und des Verlustes ihren Fetischcharakter zu nehmen. Was das Sterben eines Menschen bedeutet, ist nicht an der Leiche festzumachen, sondern an dem, was sie nicht ist. Wer die Leiche eines Menschen einer rituellen Verwertung zuführen kann, ist drauf und dran, dessen Tod zur normalsten Sache der Welt zu erklären. Die Verdrängung des Todes ist kein Zustand wie der von Leichen, sondern sie ist ein ständiges Handeln, nicht zuletzt mit den Leichen. Das Sterben läßt sich nicht in ein Bild bannen. So wie sein mentales Hinausdrängen aus dem Leben einer ständigen Anstrengung bedarf, weil es materiell durch die Hintertür dann doch wieder hereinkommt, so bedarf es auch einer ständigen Anstrengung, diesen rituellen Zyklus seiner Verdrängung zu durchbrechen. Judith Baums Bilder zu meiner Novelle erzählen das. Will ihre ästhetische Sprache kommunikabel sein, kann sie an den Symbolen, mit deren Hilfe wir uns einen erträglichen Umgang mit dem Tod sichern, nicht vorbeigehen. Aber sie kann sie auch nicht einfach übernehmen. So erkläre ich mir die vielen Versuche und Neuarrangements der Elemente in diesen Bildern. Sie bilden ein Gesamtes, dessen prinzipielle Unabgeschlossenheit durch die Zahl der Einzelbilder nur angedeutet sein kann. Alle 18 Bilder auf dem Taschenbuchcover abzubilden, war nicht möglich. Nahmen wir jedoch eines heraus, entstand sofort der Eindruck, daß das eigentliche Werk die verbliebenen Bilder sind und das gewählte nur eine Art Anmerkung dazu, die so, aber auch anders sein könnte.
Dennoch, wir mußten uns entscheiden. Und so wählten wir eines, das in seinen Darstellungselementen nach der Lektüre des Textes für jemanden, der die anderen Bilder nicht kennt, am ehesten entschlüsselbar ist. Die eigentliche Dimension der Arbeit von Judith Baum bleibt freilich demjenigen, der nur mein Buch kennt, verborgen.
Text von Josef Haslinger

Death Images
Is it possible to illustrate death? If one looks around in the contemporary world of images, nothing seems more attractive than showing the most often violent ending of human life. A picture from Afghanistan comes to my mind. The bodies of the former rulers Mohammed Najibullah and his brother hanging by the noose. One of them maltreated the torn clothes drenched in blood, the other uninjured. Behind them the murderers in a comfortable circle, as if they had sat down to rest after a hard days work. They smoke pipe, converse, satisfied with themselves and the world. This picture that perhaps did not reoccur in large format as benetton advertisement only because it was published too often in the world press says a lot about the living in the background, about their lustful profession, the killing, but in its center it remains strangely silent, as if stunned.
From the momentary image of an in whatever way executed body dying as a process cannot be understood. Corpses are mass products, dying is something individual. Corpses appear as unchangeable shapes. The image of a person just having died says hardly more than that of a decayed corpse. Both seem to cover up rather than to reveal what dying means. To illustrate dying the image of the body comes either too early or too late.
In the year 1995 Judith Baum went about to design the cover of the paperback of my novella "the death of the cabin dweller Ignaz Hajek". The story is of a man who hangs himself. What would I have expected of the cover? A corpse? A grave? An undefinable darkness? Not having the slightest idea how to solve such a problem I went to the studio. There I found not only one picture but 18 pictures. And it was at first sight clear that they belonged together. Not that they all showed the same thing, but they used the same elements, the same colours, the same technique. Nothing was clearly recognizable but everything seemed to awake memories. The corpse was not shown in any one of the images and nevertheless was present in the pictures, as shadow, or hidden behind surgical gauze as if it were being prepared for embalming. The presence of death in these pictures does not want to be attributed to the familiar representation of a corpse. On the contrary these pictures in the midst of insignia of frailty and bereavement try to remove the character of the fetish from the corpse which undeniably embodles the material dimension of death. What the death of a person means cannot be made out at the corpse, but only at that what it not is. Whoever is able to devote a corpse to its ritual usage, is bound to declare death to be the most normal thing of the world. The denial of death is no condition such as that of corpses but a constant dealing, ultimately also with corpses. Death cannot be captivated in a picture. Just as the mental denial in life needs a constant effort, because it returns materially through the backdoor, it requires a constant effort to break through this ritualistic cycle of its denial. This is the message of Judith Baums pictures along the lines of my novella. If her esthetic language is meant to communicate, then she cannot pass by the symbols with the help of which we try to secure bearable relations with death. But she also cannot simlpy adopt them. This is how I explain the constant attempts and rearrangements of elements in these pictures. They form a whole whose fundamental incompletion can only be suggested by the number of individual pictures.
To depict all 18 pictures on the paperbook cover was not possible. However, if we took one out, the impression arose that the actual work were the remaining pictures and the chosen one only a sort of comment thereon which could be like this but also different. Nevertheless we had to decide. And therefore we chose one that by its representational elements according to the reading of the text would be decipherable for someone who did not know the other pictures. However, the actual dimension of the work remains hidden for those who only know the book.
Text by Josef Haslinger

Internet

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Exhibitions in artist-info 5 (S 3/ G 2) Did show together with - Top 5 of 31 artists
(no. of shows) - all shows - Top 100
Klaus Staeck (1)- 59
Tagwerker & Wiederin [Gerold Tagwerker & Gerold Wiederin] (1)- 1
Eva Schlegel (1)- 31
Adrian Schiess (1)- 72
Igor Sacharow-Ross (1)- 15
Exhibitions by type
5:   2 / 0 / 3 / 0
Venues by type
5:   2 / 0 / 3 / 0
Curators 0
artist-info records Feb 1997 - Aug 2001
Countries - Top 3 of 3
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Austria (1)
Germany (1)
Cities 4 - Top of 4
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Frankfurt am Main (1)
New York (1)
Bregenz (1)
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Stefan Stux Gallery (1)
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Julius Raab-Stiftung (1)
Kunsthalle Wien (1)
Curators (no. of shows) Top 0 of 0
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Stefan Stux Gallery G Jun 2001 - Aug 2001 New York (43) +0
Kunsthalle Wien S Nov 1999 - Dec 1999 Wien (30) +0
Kunsthaus Bregenz G Jul 1999 - Sep 1999 Bregenz (106) +0
Julius Raab-Stiftung S Sep 1997 - Sep 1997 Wien (1) +0
Galerie Poller (Frankfurt a.M.) S Feb 1997 - May 1997 Frankfurt am Main (82) +0
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