Artist | Franz Bernhard (1934 - 2013)
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Biography
Biography
1934 Geboren am 17. Januar in Neuhäuser (Nové Chalupy), südliche Sudeten, Vater Bäckermeister und Landwirl
1946 Übersiedlung nach Siegelsbach, Kreis Heilbronn
1949 Beginn einer Schreinerlehre
1950 - 56 Humanistisches Gymnasium, Internatsschüler in Königstein/ Taunus
1956 Abitur, danach in verschiedenen Berufen tätig
1959 - 66 Studium der Bildhauerei bei Wilhelm Loth, Besuch der Werkklasse von Fritz Klemm an der Kunstakademie Karlsruhe
1963 Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes
1968 Villa-Romana-Preis, Florenz
1969 Heirat mit Lucia Baum
1969 Rompreis (Villa-Massimo-Stipendium)
1970 Wilhelm-Lehmbruck-Förderpreis der Stadt Duisburg
1970 Gastlehrauftrag an der Kunstakademie Karlsruhe
1971 Stipendium aus den Mitteln des Kunstpreises Berlin
1972 Umzug von KarIsruhe nach Jockgrim
1975 Pfalzpreis für Plastik
1976 Arbeitsstipendlum des Kulturkreises im Bundesverband der deutschen Industrie (bei Firma Desowag-Bayer Holzschutz, Krefeld-Uerdingen)
1977 Hans-Thoma-Preis des Landes Baden-Württemberg
1980 Prix de la Ville de Mulhouse (Quatrième Biennale Européenne de la Gravure de Mulhouse)
1981 Lütze-Preis
1984 Kunstpreis der Heitland Foundation, Celle
1986 Kunstpreis des Landes Rheinland-Pfalz
1989 Lovis-Corinth-Preis
1990 - 92 Mitglied der Akademie der Künste Berlin
1994 1. Vorsitzender Künstlerbund Baden-Württemberg
Lebt und arbeitet in dem vorderpfälzischen Dorf Jockgrim
About the work (deutsch)
About the work (deutsch)
Franz Bernhard hat längst seinen Platz in der vordersten Reihe zeitgenössischer deutscher Bildhauer eingenommen. Mächtige Skulpturen aus Conten-Stahl grüßen etwa an der Autobahneinfahrt Mannheim oder den Besucher der neuen deutschen Botschaft in Moskau.
In ihrer inzwischen zehnten Ausstellung seit 1972, welche die Frankfurter Galerie Rothe dem heute 66jährigen Künstler ausrichtet, werden Skulpturen und Zeichnungen aus dessen jüngster Schaffensperiode gezeigt. Die Auswahl der präsentierten Werkstücke reicht von kleinen Bronzen bis hin zu den für Bernhard charakteristischen Einzelobjekten aus Holz und Eisen, die zumeist für die Wand bestimmt sind. Zugleich publiziert die Galerie eine dritte Fortführung des von ihr betreuten "Werkverzeichnisses der Skulpturen 1964 bis 1989", die alle zwischen 1997 und der unmittelbaren Gegenwart entstandenen Arbeiten dokumentiert.
Der Künstler lebt seit 1972 in dem alten Städtchen Jockgrim in der Vorderpfalz, welches schon im späten 19. Jahrhundert als Künstlerdorf berühmt war.
Galerie Rothe, Frankfurt am Main, 28. 04. 2000
FRANZ BERNHARD ALS BILDHAUER
1. Bernhards "Dinge" als plastische Werkstücke
Franz Bernhard versteht es in ganz bescheidenen, zum 'Understatement' tendierenden Kommentaren Wesentliches zu seinem Werk auszudrücken. Eines seiner am häufigsten wiedergegebenen Zitate lautet: "Wenn ich wüsste, was Kunst ist, würde ich versuchen, Kunst zu machen. - Da ich nicht weiß, was Kunst ist, produziere ich Dinge, so gut ich kann." Die Dinge, die er macht, leiten sich von der menschlichen Figur ab, sie haben antropomorphen Charakter, der sich auch in der Namensgebung - Figur, Büste, Kopf, Wand-Hand usw. - widerspiegelt. Bernhard steht damit in der Tradition klassischer Bildhauerei, in deren Mittelpunkt der menschliche Körper stand. Und doch: wie anders, wie originär und wie entfernt muten seine Schöpfungen im Vergleich zu denen der traditionellen Bildhauerei an.
Eine Maxime seines Lehrers Wilhelm Loth zeigt sich in den Arbeiten: Plastik als Gestaltung der Oberfläche. Aber auch hier: wie anders, wie viel mehr zeigt sich in diesen Werken. Bernhard übersetzt die menschliche Figur zum "Ding im Raum" und objektiviert dieses neugeformte Ding zum Raum, im Raum und zeigt das Verhältnis des Raumes zu diesem geschaffenen Körper. So kann er schreiben: "Ich mache Dinge. Meine Dinge greifen in den Raum. Ich gestalte Räume." Mit diesen unterschiedlichen künstlerischen Ansätzen ist er Bildhauer im heutigen Sinne. Er gestaltet Dinge a) an ihrer Oberfläche, b) in ihrem Raum, c) zu ihrem Umraum, in den sie unmittelbar einwirken.
Seine Dinge sind darüber hinaus augenscheinlich handwerklich produzierte Werkstücke, was sich direkt durch ihre materielle Struktur, ihre innere Aufrichtigkeit und ihre Ursprünglichkeit mitteilt. Nicht, ist an ihnen manieriert, geschönt, übertüncht oder vertuscht. Es ist die gekonnte Einfachheit, die überzeugt.
Die Arbeitspuren in den Materialien - meist Holz und Eisen - vermitteln aber auch Leben und Ausdruck, also innere Bewegung und Geistigkeit. Holz ist nicht in seiner unberührten Natürlichkeit benutzt, sondern es zeigt den konstruierenden Eingriff des Menschen: Es ist verzapft, gedübelt, gehobelt, zersägt, geleimt. Das Eisen zeigt ähnliche Spuren: Es ist geschweißt, gehämmert, gebogen, geschnitten, gefräst. So erfahren wir die Oberflächen der Dinge, Bernhards in einer den Materialien jeweils angemessenen Bearbeitung, intensiviert in ihrer Ausdrucksqualität durch die ursprüngliche Eigenart der jeweiligen Werkstoffe: Holz in der organisch-gewachsenen Struktur der Jahresringe, Eisen in der ihm eigenen rostig-rauhen Patina. Holz und Eisen stehen sich hierdurch in diesen Arbeiten gegenüber, ergänzen und organisieren sich zu durchgestalteten Werken.
2. Das Teil des Ganzen als neues Ganzes
Franz Bernhards Plastiken sind erstaunlich reduziert: Sie verzichten nicht nur auf das Abbildhafte, sondern ziehen sich auch ohne Skrupel auf Fragmentarisches, auf Teilformen eines Ganzen zurück: "Ich mache aus Körpern Platten, Bögen, Balken. Ich mache aus Armen Gestänge. Ich mache aus dünn dick. Ich lasse ein Bein weg, wenn es stört ...", äußert er sich. Hier liegt jedoch kein Abstraktionsprozess im Sinne Picassos vor, sondern die Reduktion zielt auf umfassende Eigenständigkeit neuer Formen, die in sich eine neue Ganzheit verkörpern, eine eigene Individualität ausbilden.
Sehen wir uns auf diesem Hintergrund den großen »Block-Kopf« von 1981 an (WV 226). Er erscheint als Kopf vollständig isoliert. Es fehlen Hals, Schultern und der tragende Körper. Er ruht auf dem Boden, aber doch nur auf dem Teil einer Fläche, er hebt sich vorne leicht an, suggeriert Bewegung, Leichtigkeit, er wendet sich leicht zur Seite. Die Form selbst erscheint als ein gedübelter und geleimter eckiger Block aus Holzstücken, einmalig in Konstruktion und Struktur. Eine oben aufgenietete Eisenplatte staut die im Holzblock enthaltene Energie und komprimiert das Werkstück zu einer festgefügten Einheit, die abgegrenzt ist vom Umraum: Die Eisenplatte behütet ebenso wie sie abschirmt - undurchdringlich und äußerst präsent. Es gibt nur diesen Block, und es fehlt ihm an nichts - er ist kein Teil von einem Ganzen, er ist ein Ganzes. Franz Bernhard umschreibt dieses Phänomen in dem Salz: "Es geht mir nicht um das abbildhafte Abhängige, sondern um das dinghaft Autonome."
3. Vom "Ganzen" zum "Zeichen"
"Das Ergebnis (= das produzierte Ding) soll zeichenhafte Hinweise auf den Menschen geben", erläutert Bernhard. Das dinghafte, autonome Werk steht für sich, es steht aber auch als Zeichen für ein anthropomorphes Sein und dessen Verhalten im und zum Raum. Das Werk bildet ein Moment des menschlichen Körpers und dessen Bezug zur Welt; es bietet einen Blick auf seine Wahrhaftigkeit, seine Ursprünglichkeit und seine Wesenheit zu den anderen Dingen im Raum. Darüber hinaus wirkt es aber auch in seiner Ausdrucksform als Zeichen für - äußere und innere -Grundzustände des Menschen. So sind Stehen, Sitzen, Liegen, Lehnen und ähnliche Primärformen menschlichen Körperverhaltens, die Bernhards Dinge aufnehmen und ausdrücken durch Formgebung, Material, Dynamik und Stellung im Raum. Wir erkennen in ihnen damit aber auch Zeichen des inneren Wesens menschlicher Zustände, Zeichen von Befindlichkeit, Verwobenheit, Individualität, die sich sinnlich am Körper der Werkstücke ablesen lassen.
Betrachten wir hierzu wieder eine Arbeit. Die Skulptur "Liegende mit weißem Kopf" von 1993 (WV 332) besteht optisch und vom Material her aus zwei Teilen: Das 'liegende' Element bildet der vom oberen Ende nach unten leicht abfallende Eisenkeil, der sich flach und rostbraun an den Boden schmiegt und damit das Lasten des Körpers auf dem Boden, eben das Moment des 'Liegens' sinnfällig macht. Der weiße Kopf hingegen richtet sich allein schon durch seine weiße Farbigkeit optisch vom Boden auf. Der nach oben runde Holzkeil verläuft zwar - der Linie des liegenden Körpers folgend - parallel zur tragenden Grundfläche, hebt sich jedoch leicht ab, schwebt über dem Boden und zeigt eine aufwärtsstrebende Bewegung an. Die Holzstruktur zeichnet sich deutlich in der dünnen weißen Bemalung ab und deutet organisches Wachstum, Lebendigkeit und Kraft an. Ruht der Körper mit seinem ganzen materiellen Gewicht auf dem Boden, so wirkt der Kopf lebendig und kraftvoll. Die weiße Farbe bildet einen harten Kontrast zu dem Rostbraun des Körpers, sie 'lichtet' den Kopf und erinnert an die Spiritualität weißer afrikanischer Masken (Schneckenburger). Es stößt also in dieser Arbeit ein kontrastierendes Beziehungsgeflecht aufeinander. Wenn die Plastik auch 'Liegend - Erhebend' genannt werden könnte, so ist sie doch kein Abbild eines liegenden Körpers, der sich erhebt. Sie setzt vielmehr das Zeichen von 'Liegen', und 'Schweben' von 'schwer' und 'leicht', von 'Körper' und 'Kopf', von 'Materiellem' und 'Geistigem'. Der Künstler meint hierzu: "Es geht mir zu aller erst um ein anthropomorphes Zeichen, das so etwas wie ein Anliegen verkörpert."
4. Zum Abschluss: Einige Bemerkungen über die Rezepption
In den 60er Jahren, als man die Plastiken Bernhards zum ersten Mal in der Kunstkritik ernsthaft diskutierte, wurden sie in einer sehr vereinfachten Sichtweise als 'Arbeitsgeräte', 'Handwerkszeuge' oder gar 'Gartengeräte' interpretiert: Der menschliche Körper und seine Extremitäten mutierten in diesen Betrachtungen zu simplen Werkzeugsymbolen. Vehement hat sich der Künstler gegen eine solche Deutung gewehrt, und mit dem Beginn der70er Jahre - seine Arbeiten waren fester, schwerer und materialbezogener geworden - wurden sie zwar als Zeichen menschlicher Figuration wahrgenommen, eher jedoch als minimalistische Materialreduktionen gesehen, die in gewisser Korrespondenz zu Arbeiten von Richard Serra (labil / stabil) oder zu Joseph Beuys (energetische Plastik) stehen sollten.
Diese - sicherlich im Werk Bernhards enthaltenen - Merkmale erscheinen aus heutiger Sicht eher Teilaspekte eines viel wichtigeren werkimmanenten Sinnes zu sein: Das Wesen der von Bernhard geschaffenen 'Dinge' seine Skulpturen sind in ihrer autonomen Ganzheit gesetzt gegen die sich auflösende, atomisierte Welt der menschlichen Kultur. Sie stehen aber auch den Menschen unmittelbar gegenüber, die in ihrem Inneren zerrissen, gespalten, gehetzt sind und deren Ganzheitlichkeit zerbrochen erscheint. Hier trifft die Kunst Bernhards die ältere von Constantin Brancusi: Beide streben ein ganzheitliches, umfassendes, in sich abgesichertes und ruhendes Werk an. Brancusi in seinen Werken abgelöst von jeglicher Individualität, in einer abgehobenen Allgemeingültigkeit, Franz Bernhard hingegen - ungeniöser, demokratischer und weltzugewandter - vereint den ganzheitlichen Ansatz mit dem individuellen, dem Spezifischen im Menschen.
Schauen wir doch auf die "14 Köpfe" Bernhards (WV 347), die hier ausgestellt sind. Eine kleine Geschichte: Als diese Köpfe im Marler Skulpturenmuseum Glaskasten ausgestellt waren, besuchte eine Gruppe von Ärzten unter meiner Führung die Präsentation. Als wir den Raum mit den an die Wände gebrachten Holz-Eisen-Köpfen betraten, brach ein Sturm belächelnder Entrüstung los: Was soll denn dieser Quatsch, ist doch alles willkürlich und gleich, eine Ansammlung von Schrott- und Holzabfällen, aus dem wir auch ... Die Reaktionen wurden sofort nachdenklicher, als ich die Werke als 'Köpfe' bezeichnete. Man schaute die einzelnen Plastiken an, untersuchte sie und entdeckte bei sich den Blick fürs Detail. Innerhalb kürzester Zeit wandelte sich die Meinung und eine fieberhafte Suche nach den individuellen Ausdrucksformen eines jeden Kopfes begann. Als diese erste Begeisterung abgeebbt war, folgte eine heftige Diskussion, die plötzlich die Köpfe als ein gemeinsames, allgemeines Zeichen des Menschseins entdeckte. So hatte ein Erkenntnisweg von der Unanschaulichkeit des Trivialen zur Individualität des Einzigartigen geführt, bis sich diese Indivdualaspekte zur Erkenntnis der Ganzheit verwoben. Selten hat mir ein Aneignungsprozeß künstlerischer Werke so anschaulich ihren Inhalt veranschaulicht: In dem Kopf, dem Zeichen des Individuellen, erfahren wir gleichzeitig auch die Ganzheit der Menschen an sich. Bernhards 'Dinge' hatten sich als Zeichen entschlüsselt.
Etymologisch ist das Wort 'Kopf' vom spätlateinischen Wort cuppa = Gefäß, Becher, Trinkschale, aber auch Hirnschale abgeleitet. So ist der Kopf des Menschen das Gefäß seines Geistes, seines Verstandes. Hier sitzt das, was den Menschen insgesamt und den Einzelmenschen speziell charakterisiert, was sich dann auch in den Zügen des Gesichtes optisch zeigt als unmittelbares Spiegelbild der menschlichen Individualität. Dieser Zyklus »Köpfe« von Franz Bernhard ist Zeichen sowohl für das Individuelle, wie für das Allgemeingültige im Menschen.
Auf die offensichtliche und nicht mehr zu leugnende Zersplitterung menschlicher Existenz reagiert der zeitgenössische Künstler unterschiedlich. Zwei entgegengesetzte Tendenzen sind festzuhalten: Die einen versuchen diese Weit mit ihren eigenen Mitteln zu erfassen und neue Verbindungen und Weltsichten aufzubauen (zum Beispiel Nam June Paik, James Turrell, aber auch Richard Serra oder Bruce Nauman), die anderen leiten zurück zum Ursprünglichen, zurück zum Ausgangspunkt. Man überwindet alles Abbildhafte und setzt Zeichen für Grundsätzliches, wie zum Beispiel Mario Merz, Joseph Beuys und auch Franz Bernhard mit seinen produzierten 'Dingen'.
Aus all diesen Gründen und gegen die Bescheidenheit des Dinge-Produzenten, und unter dem Eingeständnis, dass ich letztendlich natürlich auch nicht weiß, was Kunst ist: Die Werke von Franz Bernhard kommen dem sehr nahe, was Kunst sein muss - ja, ich bin überzeugt, Franz Bernhard hat nicht nur Dinge produziert, sondern in diesen und mit diesen auch Kunst.
Text von Uwe Rüth, Eröffnungsrede Kunstverein Bochum, 14.05.1995
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